Wut im Quadrat - Mannheim-Krimi
zuversichtlich geklungen. Sie hat ihn bestimmt nicht angelogen, der Albtraum würde bald vorbei sein. Zudem war er froh, dass er den Mann nicht mehr sehen musste, der ihn entführt hatte, wenn ihn später wirklich die Frau freilassen sollte. Der Frau vertraute er irgendwie, dem Mann nicht.
Als er das dachte, wunderte er sich sofort, wo der Mann geblieben war. Seit ein paar Tagen war er nicht mehr aufgetaucht. Zunächst hatte er nur mit ihm zu tun gehabt, bis vorgestern zum ersten Mal die Frau gekommen war.
Seine Gedanken kreisten weiter, und seine Eltern fielen ihm ein. Er dachte an seinen Stiefvater und vor allem an seine Mutter. Wie würde es ihnen im Moment gehen? Sicher waren sie sehr um ihn besorgt. Hoffentlich unternahmen sie nichts Unvorsichtiges, denn dann würde er heute Abend wieder in seinem Zimmer sein â und bei seiner Mutter.
Lukas sehnte diesen Augenblick mit aller Kraft herbei. Er wollte von seiner Mutter im Arm gehalten werden, wollte, dass sie ihm mit der Hand durchs Haar fuhr und ihm sagte, dass alles nicht so schlimm sei. Aus seinem tiefsten Inneren stieg ein Gefühl von Trauer und Verlust hoch, weil er seine Mutter so vermisste. Irgendwo in der Magengegend fing es an und schlich bis zu seinem Kopf hoch. Die Kehle schnürte sich wieder vor Schmerz zu und die Augen wurden abermals feucht. So kauerte er auf der Couch und wartete.
»Mama.«
Nachdem er bestimmt zwanzig Minuten regungslos dagesessen hatte, fiel sein Blick auf das Glas Nutella, das die Frau mitgebracht hatte. Er sprang zum Tisch, öffnete es und steckte sofort seine Finger in die Schokocreme. Die Brötchen waren ihm egal.
»Jetzt erzählen Sie uns ganz genau, was passiert ist«, bat Moritz Elisabeth Lehmann und lieà ein Aufnahmegerät mitlaufen. Er saà gemeinsam mit Olivia und Elisabeth in einem der Besprechungsräume an einem Tisch, Olivia an seiner Seite, Elisabeth ihnen gegenüber.
Letztere vernahm Moritzâ Aufforderung, doch empfand sie die Gegenwart als unwirklich. Sie fühlte sich, als wäre sie eine neutrale Beobachterin und sähe sich von oben in diesem Raum sitzen. Die Stimmen der beiden Polizisten drangen aus weiter Entfernung zu ihr, und sie benötigte einige Zeit, um sich in der Realität zurechtzufinden. Dann versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Was war genau passiert? Die Realität erfasste sie. Ihr Sohn befand sich in der Gewalt von Entführern! Sie wollte sprechen, aber sie konnte nicht. Bei der Erinnerung an den Moment, in dem sie begriffen hatte, dass ihr Sohn entführt worden war, brach ihr die Stimme weg. Sie benötigte erneut einige Minuten, bis sie sich gefasst hatte.
»Nehmen Sie sich alle Zeit der Welt«, beruhigte Olivia sie.
Elisabeth nickte. Kurz darauf setzte sie zu sprechen an. »Also, es war letzten Freitag, da kam mein Sohn Lukas nicht von der Schule nach Hause â«
»Warum sind Sie nicht sofort zur Polizei gegangen?«, unterbrach Moritz sie.
»Jetzt lass sie doch mal ausreden«, zischte Olivia ihren Kollegen an.
Moritz nickte genervt.
»Okay, okay.«
Elisabeth fuhr fort.
»Lukas brauchte manchmal nach der Schule länger. Er ist ein Träumer, der gerne bummelt. Von all den Jungs seiner Klasse ist er meist der letzte, der nach Hause kommt. Daher habe ich mir zunächst etwa eine Stunde lang keine Gedanken gemacht.«
»Wann wurden Sie misstrauisch?«, fragte Olivia.
»So gegen 14:30 Uhr. So spät ist er freitags noch nie von der Schule gekommen. Ich hab sofort meinen Mann angerufen, Lukasâ Stiefvater, er hatte aber nichts von unserem Sohn gehört.«
Bei der Erinnerung an diesen Moment hielt sie kurz inne und musste sich erneut sammeln.
»Als Nächstes habâ ich dann die Eltern von Lukas Freunden kontaktiert. Diese konnten nur erzählen, dass sie sich auf dem Nachhauseweg von Lukas verabschiedet hätten. Das war das letzte Mal, dass ihn jemand gesehen hat.«
Sie musste heftig schlucken, kämpfte die aufsteigenden Tränen aber zurück.
»Wann hat sich der Entführer gemeldet?«, fragte Moritz.
»Das war gegen 16 Uhr. Die Zeit bis dahin war furchtbar. Ich wusste nicht, was los war. Keiner hatte ihn gesehen. Ich war total erleichtert, als der Entführer sagte, dass es meinem Kleinen gut geht.«
»Hat Ihr Sohn bereits ein Handy?«, forschte Olivia weiter.
Elisabeth schüttelte den Kopf.
»Nein, das haben wir ihm verboten. Wir
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