Wut im Quadrat - Mannheim-Krimi
zu sein, doch inzwischen gelang ihm das immer seltener. Als er als Immobilienmakler angefangen hatte, hatte er schnell unglaublich viel um die Ohren gehabt. Im Grunde schuftete er seit Jahren Tag und Nacht, da blieb einfach wenig Zeit für seine Frau und noch weniger Zeit für den Jungen. Manchmal war ihm erst nach Wochen so richtig bewusst geworden, dass Lukas nun zur Schule ging, dass er seinen ersten Zahn verloren oder dass er neue Freunde mitgebracht hatte. Bei alle den beruflichen Herausforderungen fiel es ihm unglaublich schwer, mit dem Leben seiner kleinen Familie mithalten zu können. Immerhin schuftete er ja auch dafür, dass Elisabeth und Lukas in der besten Wohngegend lebten. Elisabeth konnte ihr Leben aus vollen Zügen genieÃen, musste nie wieder arbeiten. Und Lukas ermöglichte er damit eine vorzügliche Ausbildung, wenn er später studieren wollte, war das kein Problem. Er würde ihm sogar ein Studium an einer der teuren englischen Eliteuniversitäten bezahlen können, wenn der Junge das wollte. Sein Vermögen ging aber eben zulasten seiner Freizeit und Familie. Im Allgemeinen verstand Elisabeth das, aber manches Mal machte sie ihm Ãrger, so wie am letzten Osterfest. Sie hatten nach dem langen Herbst und dem langen Winter endlich die Sonne sehen wollen und beschlossen, auf die kanarischen Inseln zu fliegen, um dort zwei Wochen zu entspannen. Zwei Tage vor Abflug war jedoch ein neues wichtiges Projekt hereingekommen, sodass Thomas an Mannheim gebunden war und unmöglich mit seiner Familie hätte verreisen können, wollte er das nicht Projekt platzen lassen. Elisabeth hatte ihn angeschrien, als er ihr davon erzählt hatte. In den letzten Jahren hatte sie immer weniger Verständnis für ihn und seine berufliche Situation aufgebracht, trotz all der Annehmlichkeiten, die er ihr deshalb bescheren konnte. Sie hatten sich gestritten, bis Elisabeth mit dem Jungen in ein Taxi gestiegen und sich nach Frankfurt zum Flughafen hatte bringen lassen. Er war allein mit einem Berg Arbeit zurückgeblieben, den er zu bewältigen hatte, um ihren gemeinsamen Lebensstandard zu halten. Schnell wusch er sich noch das Gesicht ab, trocknete ein wenig die Zahnbürste und ging vom Duschraum zurück in sein Büro.
Als er vor der Bürotür stand, wunderte er sich, dass die Tür einen kleinen Spalt weit offen stand.
»Nanu?! Ich hatte die Tür doch zugezogen.«
Vorsichtig steckte er seinen Kopf ins Büro. Niemand war in dem Zimmer, weder war einer seiner Kunden zu sehen noch die Büroangestellte oder eine der Personen, die die Büros nebenan gemietet hatten. Er schloss die Tür hinter sich, lief zu seinem Schreibtisch, öffnete die Schublade und spähte hinein. Auch seine Wertsachen waren noch da. Beruhigt lieà er sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und schlug die heutige Tageszeitung auf, die er sich immer ins Büro schicken lieÃ.
Die internationale Politik war von dem Konflikt in Syrien und den Reaktionen der Amerikaner und Russen bestimmt. Schnell blätterte er weiter, das war ihm jetzt zu anstrengend. Der nationale Teil befasste sich mit dem Hochwasser, das aufgrund der starken Regenfälle der letzten Woche einen groÃen Teil Deutschlands im Griff hatte. Thomas erinnerte sich, wie er einmal auf dem Nachhauseweg an der Neckarbrücke angehalten und einige Fotos gemacht hatte. Der Fluss war so weit aus seinem Bett getreten, dass er die ihn umgebenden Wiesen verschlungen hatte. Treibholz, Bauschutt und sogar tote Tiere waren im Wasser geschwommen und in Richtung Rhein getrieben worden. Mittlerweile war das Wasser hier in Mannheim wieder zurückgegangen, doch vor allem die Menschen in Ostdeutschland litten noch unter den Wassermassen. Wieder einmal war der Pegel der Elbe stark angeschwollen und bedrohte ganze Dörfer und Städte. Thomas Lehmann schüttelte den Kopf: »Die armen Leute, die dadurch ihr Haus verlieren werden.«
Dann blätterte er weiter und kam zum Lokalteil. Auch hier berichteten Betroffene, wie sie das Hochwasser überstanden hatten. Er betrachtete ein paar Bilder vom Strandbad Neckarau. Der Aufgang, der normalerweise vom Strand zum Lokal führte, wurde nun als Steg in das Wasser genutzt, und das, obwohl der Fluss bei normalem Pegelstand so viel tiefer lag, dass vom Ufer bis zum Aufgang mehr als zehn Meter Platz waren.
Plötzlich fiel sein Blick auf eine Schlagzeile, die ihm das Blut in den Adern
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