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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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sicher sein konnte, daß man sich an ihn erinnerte. Und dann das Skalpieren. Sie mußten Plastikplanen ausgelegt haben, damit der Wagen nicht verschmutzt wurde. Und der Leichnam wurde wie Müll einfach auf die Straße geworfen. Genauso gingen sie auch bei Belinda Candell vor.
    Bei Sky dagegen war es anders. Wie es ihre Art war, ergriff sie die Initiative und teilte Bradley Marsalis bei ihrem letzten Abendessen flüsternd ihre Pläne für den Abend mit. Heute nicht, sagte er, und sie zuckte die Achseln. »Okay, ich werde Stash oder Club anrufen und sehen, ob die Lust auf ein bißchen Spaß haben.« Wütend, beleidigt, aber verpflichtet, sich an den Spielplan zu halten, verabschiedete Brad sich unten an der Lobbytür von ihr und rief sie ein paar Minuten später an. »Okay, du hast gewonnen«, sagte er, »aber nicht hier. Wir treffen uns im Zimmer.« (Das Zimmer war eine schalldichte Suite in einem Fünfsternehotel, das ganze Jahr vom S&M-Club für seine geräuschvolleren Mitglieder angemietet. Wie sich herausstellte, hatte Bradley Marsalis sie mehrere Tage zuvor gebucht und sich daher des geplanten Mordes schuldig gemacht.) Sky sollte das Zimmer niemals erreichen. Ein großer schwarzer 4x4 hielt neben ihr, und eine ihr bekannte Stimme sagte: »Hi, Prinzessin. Komm an Bord. Horse hat uns gebeten, einen kleinen Ausflug mit dir zu machen.« Zwanzig, neunzehn, neunzehn, zählte Solanka. Zusammen waren sie gerade drei Jahre älter als er.
    Und was war mit Jack Rhinehart, der ein Dutzend Kriege überlebt hatte, nur um in Tribeca eines elenden Todes zu sterben, der so klug über so viel Wichtiges und so elegant über vieles geschrieben hatte, das nicht wichtig war, und dessen letzte Worte bewußt oder notwendigerweise sowohl ergreifend als auch albern gewesen waren? Jacks Story war ebenfalls in aller Munde. Der Diebstahl der Flinte durch Horse Marsalis. Jacks Einladung in den S&M-Club zu seiner Einführungszeremonie. Du hast’s geschafft, Mann. Du bist drin. Selbst als sie am Spassky Grain Building eintrafen, hatte Rhinehart keine Ahnung, daß er dem Tode nahe war. Er dachte vermutlich an die Orgie in Eyes Wide Shut und stellte sich nackte, maskierte Mädchen auf Podien vor, die auf den Hieb seiner köstlichen Peitsche warteten. Solanka weinte jetzt. Er hörte, wie die Killer darauf bestanden, daß Rhinehart einen randvollen Krug Jack Daniels mit Coke auf ex trinken müsse, das Lieblingsgetränk der verwöhnten Kids. Er hörte den Befehl, sich im Namen des Clubs auszuziehen und seine Unterhose umgekehrt anzuziehen. Als würden ihm selbst die Augen verbunden, spürte Solanka die Binde, die sie bei Jack benutzt (und später entfernt) hatten. Seine Tränen durchtränkten die imaginäre Seide. Okay, Jack, bist du bereit, das wird dich umhauen. - Was ist los, Jungs, was soll das? - Mach einfach den Mund auf, Jack. Hast du dir die Zähne geputzt, wie wir es dir gesagt haben? Gut gemacht. Sag Ahhh, Jack. Das wird dich umhauen, Herzchen. Wie bedrückend einfach es gewesen war, diesen guten, schwachen Mann in den Tod zu locken. Wie bereitwillig er in den eigenen Leichenwagen stieg, um seine letzte, kurze Fahrt anzutreten. Lord, rock my soul, sang die Sängerin. Leb wohl, Jack, sagte Solanka lautlos zu seinem Freund. Geh nach Hause. Ich werde dich anrufen.
     
    Neela nahm Malik mit in die Bedford Street, öffnete eine Flasche Rotwein, zog die Vorhänge zu, zündete Duftkerzen an und wählte respektlos eine CD mit Bollywood-Song-Classics aus den Fünfzigern und frühen Sechzigern - Musik aus seiner verbotenen Vergangenheit. Das war ein Aspekt ihrer profunden emotionalen Weisheit. Bei allem, was mit Gefühlen zu tun hatte, wußte Neela Mahendra, was wirken würde. Kabhi meri gali aaya karó. Der anrührend romantische Song schwebte durch den verdunkelten Raum. Komm herauf und besuch mich doch mal. Seit sie die Grabstelle verlassen hatten, war zwischen ihnen kein Wort gewechselt worden. Sie zog ihn auf einen mit Kissen bedeckten Teppich hinab und bettete seinen Kopf zwischen ihre Brüste, erinnerte ihn wortlos daran, daß es selbst in der Trauer noch ein wenig Glück gebe.
    Sie sprach von ihrer Schönheit, als existiere diese ein Stückchen von ihr getrennt. Sie hatte sich einfach ergeben . Sie war nicht das Ergebnis von etwas, das sie getan hatte. Sie tat sich nichts darauf zugute, war dankbar für die Gabe, die sie erhalten hatte, pflegte sie gut, betrachtete sich jedoch vor allem als eine körperlose Entität, die hinter den Augen

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