Wyler, Leana
Schar Männer versuchte, in Richtung Burgeingang vorzudringen, und auch seine Soldaten rannten auf das umkämpfte Gebäude zu.
Susannah stand auf Zehenspitzen auf dem Mauervorsprung, um mehr erkennen zu können. Aber die Geräusche entfernten sich, Robins Leute hatten Eadric offenbar nach drinnen gedrängt, wo die Kämpfe weitergingen, uneinsehbar für sie.
Für wen sollte sie nun beten?
Ihre eigene Rettung, genau wie die der anderen Gefangenen, konnte nur gelingen, wenn Robins Leute an Eadric vorbeikamen. Und er würde sie nicht passieren lassen, ohne sich bis zum Letzten dagegen zu wehren.
Susannah zitterte am ganzen Körper.
Doch zum Nachdenken blieb keine Zeit.
„Was brennt da?”, fragte Lady Nottingham von unten. „Ich rieche Rauch. Los, sag endlich!”
Sie roch es auch. Sah hinaus und erkannte, was geschah.
„Der Wagen mit dem Essen”, rief sie aufgebracht, „der war gar nicht dazu da, um warme Speisen zu verkaufen. Der hat nur das Feuer gebracht!”
Der große Kochtopf lag nutzlos neben dem Wagen, wichtig war nur das lodernde Feuer darunter, in das die Männer ihre Pfeile steckten und diese in die Burggebäude schossen.
Jetzt verstand Susannah, was die Männer des Dorfes die vielen Abende getrieben hatten. Sie waren zusammengekommen, um Bögen zu bauen, Pfeile zu schnitzen, Wachs zu schmelzen und getränkte Tücher um die Pfeilspitzen zu wickeln, sodass gefährliche Fackeln entstanden.
Die strohgedeckten Nebengebäude des Castles fingen als erste Feuer. Doch auch an den massiven Holzbalken des Hauptgebäudes leckten bereits die Flammen. Auf dem Burghof tobten immer noch erbitterte Kämpfe, und auch wenn die Dörfler zahlenmäßig überlegen waren, so konnten doch die Soldaten mit ihren geübten Schwertschlägen viel Schaden anrichten.
Der Rauch wurde immer dichter und lag beißend in den Augen. Susannahs Hals schnürte sich zusammen, nicht nur wegen des Qualms, sondern auch, weil noch keine Rettung in Sicht war. Wenn Robins Leute nicht bald kämen, würden die Flammen bis in die Kerkergemäuer vordringen!
„Die müssen mich rausholen”, kreischte Lady Nottingham und schüttelte immer wieder wirr ihren Kopf, „Wo bleibt denn mein Eadric? Er muss mich holen! Muss mich endlich holen!”
Sie bewegte ihren Rollstuhl scheppernd über den dreckigen Boden der Zelle, immer hin und her, das quietschende Geräusch mischte sich mit dem Kampfgeschrei und dem zunehmenden Prasseln des Feuers.
Es wurde spürbar wärmer. Susannah rutschte vom Mauervorsprung herunter und starrte wie ihre Kerkergenossin verzweifelt auf die Holztür. Man roch den Rauch jetzt nicht nur von draußen, nein, er drängte sich auch in den Kerker vor. Und mit ihm der sichere Tod.
Verdammt, sie wollte nicht so sterben! Eingeschlossen in einem dunklen Verschlag wie ein Tier! Verbrannt zusammen mit dieser Verrückten neben ihr, die nun ein schrilles Geheule anstimmte. „Holt mich raus, ich bin Lady Nottingham”, brüllte sie gegen die stumme Holztür an.
Susannah hustete. Der Qualm wurde immer dichter. Sie riss ein Stück Stoff aus ihrem alten Leinenkleid, tauchte es in Wasser und hielt es sich vor Nase und Mund. Die Lady, der sie auch eins anbot, winkte ab. Ihre Augen waren wirr. „Er wird gleich kommen!”, rief sie und rumpelte mit dem Stuhl immer wieder gegen die Tür.
Rauch steigt immer nach oben, erinnerte sich Susannah und ließ sich auf den Boden sinken. Aber es war nur geringfügig besser. Die Luft wurde immer weniger, ihre Augen tränten und der Hals kratzte.
So sah also ihr Ende aus. Im Dreck liegend. Ohne ihren Vater noch einmal gesehen zu haben. Und ohne bei Eadric ihre Worte richtiggestellt zu haben. Susannah rang nach Luft, ihr wurde schwindlig, alles verschwamm vor ihren Augen. So gerne hätte sie ihn noch gesehen, ein einziges, winziges Mal noch, seine Stimme gehört, seine Hände auf ihrer Haut gespürt, seinen Blick auf ihr gefühlt, voll Wärme und Zuneigung…
Von irgendwoher hörte sie etwas poltern. Sie schluckte rau, hustete, rappelte sich auf. War das hier unten im Gang?
„Sie kommen”, keuchte Lady Nottingham, die Stimme schwach und trotzdem von Triumph erfüllt.
Susannah konnte es kaum glauben, als die Geräusche näher kamen, Schreie, klirrendes Metall, Schritte. Sie starrte wie gebannt auf die dicke Holztür und tatsächlich – sie wurde aufgerissen!
„Eadric!”, rief Lady Nottingham durch den dichten Rauch.
Doch es war der blonde Schopf von Allen-a-Dale, der erschien.
„Susannah, Gott
Weitere Kostenlose Bücher