Wyoming 2 - Wildes Herz
ermöglichen. Am Morgen stellte sie jedoch fest, daß er schon am letzten Abend wieder in die Stadt zurückgekehrt war. Und als sie sich seiner Schwester im Eßzimmer des großen Bauernhauses anschloß, wurde sie mit einer gewissen Feindseligkeit aufgenommen.
»Was haben Sie mit meinem Bruder angestellt? « waren die allerersten Worte, die an sie gerichtet wurden.
»Wie bitte? «
»Mir brauchen Sie gar nicht erst mit diesem hochmütigen Tonfall zu kommen, Herzogin, und tun Sie nicht so, als wüßten Sie nicht, wovon ich rede. Der Colt, der gestern abend nach Hause gekommen ist, war nicht mehr derselbe, der vor Monaten hier aufgebrochen ist, um Billy zu suchen. «
Es dämmerte Jocelyn, daß sie hier endlich etwas über Colt Thunder in Erfahrung bringen konnte. Sie legte Jessie Summers Feindseligkeit genau richtig aus, nämlich als Beunruhigung und Sorge um jemanden, den sie liebte, und daher störte sich Jocelyn nicht an ihrer Haltung und ging auch gar nicht erst darauf ein.
»Wie war er denn, als er von hier fortgegangen ist? « wagte sie sich vor.
»Glücklich, zufrieden und ausgeglichen, und es hat mich teuflisch viel Zeit gekostet, ihn dahin zu bringen. Hier kann er er selbst sein, und ich sage Ihnen, Herzogin, einen großzügigeren, edelmütigeren und einfühlsameren Menschen finden Sie nicht mehr. Aber gestern abend, verdammt noch mal, da war er reserviert, er war gereizt, er war total in sich gekehrt, verschlossen und verkrampft, und ich will verflucht sein, wenn er nicht in dem Moment, in dem sie ins Bett gegangen sind, blitzschnell verschwunden ist. Und jetzt will ich wissen, was hier vorgeht! «
»Ich fürchte, ich habe nicht die leiseste Ahnung. Der einzige Colt, dem ich bisher begegnet bin, ist der barsche, unwirsche Kerl, den ich kennengelernt habe, als er mir das Leben gerettet hat. Nein, das nehme ich zurück. Er war in dieser letzten Woche... sagen wir doch: gelöster - bis gestern jedenfalls-«
»Und was ist gestern passiert? «
»Wir sind in Cheyenne angekommen, das ist ja klar, und er konnte mich gar nicht schnell genug loswerden. Leider hatte mein Feind andere Pläne mit mir, und deshalb bin ich jetzt hier, und vielleicht ist das der Grund, aus dem er Ihnen anders vorgekommen ist. Es ist ihm immer noch nicht gelungen, aus meiner Gesellschaft zu scheiden. «
»Aus Ihrer Gesellschaft zu scheiden? « sagte Jessie kichernd. »Sie haben ja wirklich eine tolle Art, sich auszudrücken, Herzogin. Wenn sich mein Mann das nächste Mal entschließt, nicht einer Meinung mit mir zu sein, werde ich, glaube ich, aus jeder Auseinandersetzung scheiden. «
»Ein weiser Entschluß, wenn er Ähnlichkeit mit Colt hat. « Jocelyn ließ sich von ihrem Humor anstecken.
»Colt und Auseinandersetzungen? Seit wann denn das? «
»Er war schon immer streitsüchtig, oder zumindest dachte ich das bisher. Wollen Sie damit sagen, daß er sonst nicht so ist? «
»Aber wie! Es gibt nicht viele Leute, die sich auf einen Streit mit ihm einlassen würden, wenn Sie wissen, was ich meine. Wenn ich mich mit ihm streiten will, dann lehnt er sich seelenruhig zurück, bis ich Dampf abgelassen habe, und dann sagt er irgend etwas, was mich zum Lachen bringt. «
Jocelyn schüttelte versonnen den Kopf. »Ich kann nicht glauben, daß wir über denselben Mann reden. «
»Ich auch nicht, Herzogin. «
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann sagen Sie doch Jocelyn zu mir. «
»Was? Ist Herzogin etwa nur ein Spitzname, den Colt Ihnen gegeben hat? «
»So ähnlich könnte man es sagen«, wich Jocelyn aus, die keine Lust hatte, umständliche Erklärungen abzugeben, wenn sie viel wichtigere Dinge herauszufinden hatte. »Ich habe mich oft gefragt, was die Bitterkeit bewirkt haben könnte, die ich so oft an Colt gespürt habe. Vielleicht könnten Sie mir dabei ein wenig auf die Sprünge helfen. «
»Soll das ein Witz sein? Das liegt doch auf der Hand, oder nicht? Die Leute akzeptieren ihn nicht als das, was er ist. «
»Aber Sie sagten doch, er sei hier glücklich und zufrieden gewesen. «
»Ja, hier, auf der Ranch. In Cheyenne kennt man ihn gut und mag ihn auch, aber ab und zu kriegt er dort immer noch Ärger mit Fremden. Es wird höllisch lange dauern, und vielleicht kommt es zu seinen Lebzeiten gar nicht mehr dazu, daß die Leute ihn ansehen können, ohne einen Indianer in ihm zu sehen, einen Mann, dem gegenüber sie sich von Natur aus zu Haß gezwungen fühlen. «
»Aber das ist doch seine eigene Schuld, wenn man bedenkt, wie er
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