Wyrm. Secret Evolution
er alles daran, in den alten U-Bahn-Tunnel einzudringen, statt nach den anderen Vermissten zu suchen?«
»Weil die weiteren Kräfte vor Ort genau wissen, wie man unter zusammengestürzten Häusern nach Vermissten sucht«, antwortete Angermeyer. »Meier hingegen ist der einzige Mann, der Licht in den Fall von David und Robbie zu bringen vermag. Ãbrigens haben sich die meisten Medien auf ebendieses spektakuläre Ereignis gestürzt. Wenn es Meier daher gelingt, die beiden da rauszuholen â dann haben wir auch die Medien auf unserer Seite. Und genau das brauchen wir jetzt.«
»Und wenn nicht? Was ist, wenn Meier und seine Leute da unten selbst in Gefahr geraten â oder sogar umkommen, wie es bereits â¦?«
»Dann haben wir zumindest medienwirksam alles getan, was in unserer Macht steht«, antwortete Angermeyer kühl. »Und Sie sollten endlich begreifen, dass Sie sowieso über kurz oder lang ersetzt werden. Wann das passiert, liegt in meinem Ermessen. Also nehmen Sie sich lieber ein bisschen zurück.«
»Ich soll mich zurücknehmen?« Görgens lieà seinen Blick zwischen den drei Einsturzstellen hin und her wandern, die auf jeweils separaten, nebeneinander platzierten Monitoren gezeigt wurden. Starkes Scheinwerferlicht zerrte diese Unglücksorte aus der Dunkelheit. Dreimal Zerstörung und Chaos, dreimal klaffende Wunden in StraÃen, halb zusammengestürzte Gebäude, Trümmerstücke, zerstörte Wagen. Dreimal ein Anblick, wie man ihn ansonsten nur aus weit entfernten Bürgerkriegsgebieten kannte.
Und wieder blieb Görgensâ Blick schlieÃlich an dem Monitor hängen, der den letzten Einsturz in der KarlsstraÃe in Endlosschleife zeigte. Die riesige Dreckwolke, die von dem Licht der auf sie gerichteten Scheinwerfer nur unvollkommen durchdrungen wurde, das Geröll, das in die hässlich klaffende Wunde in der Asphaltdecke nachrutschte und unter lautem Gepolter in die Tiefe hinabstürzte, die Rettungskräfte, die voller Panik davonrannten, um nicht selbst verschlungen zu werden; all das waren Bilder, die sich bereits fest ins kollektive Gedächtnis der Nation eingebrannt hatten.
Und jetzt hatte Meier vor, dort nach der Rettung mehrerer Vermisster erneut ein Heldenstück zu vollbringen, indem er sich in den alles verschlingenden Schlund abseilte, um die beiden noch immer vermissten Jungen zu retten? Das war nicht einfach nur tolldreist, das war schlichtweg lebensmüde.
»Mit Verlaub â¦Â« Görgens verschluckte sich fast vor Nervosität. »Meiers geplante Rettungsaktion ist eine Sache. Aber unabhängig davon haben wir durch die völlig ungeklärte Situation und die vielen anderen Opfer das gröÃte Medienspektakel, seit die Luftwaffe den Tanklastzug in Afghanistan in die Luft gesprengt hat. Wenn wir jetzt nicht richtig reagieren, werden unserer beider Köpfe rollen!«
»Ich glaube, Sie haben mich immer noch nicht richtig verstanden«, polterte Angermeyer düster. »Sie tragen die Verantwortung, falls die Sache schiefgeht. Und wenn Sie sich nicht gleich wieder an Ihre Arbeit machen, werden wir Sie sofort vor laufenden Kameras wegen Unfähigkeit entlassen.«
Görgens schnappte hörbar nach Luft. Er wollte etwas erwidern, schüttelte dann aber nur in einer Mischung aus Resignation und Verzweiflung den Kopf.
»Ich werde mich jetzt höchstpersönlich um unsere Verdächtigen kümmern«, fuhr Angermeyer ungerührt fort. »Und Sie lassen Meier seine Arbeit machen â und sehen zu, dass die weiteren Vermissten rechtzeitig aus den Trümmern ihrer Häuser befreit werden und die Evakuierung vorankommt. Wir können uns keine weiteren Toten leisten!«
*
»Guck mal«, sagte Nico und nahm für einen Moment die Hand von seinem Smartphone, das er in der Mariental-Klinik eigentlich gar nicht hätte benutzen dürfen. Jana hielt sich ein Stück vorgebeugt, damit niemand sah, was Nico da gerade verstohlen hervorgekramt hatte.
»Was ist?«, flüsterte sie. Ihre Stimme klang heiser, eine Folge des Rauchs und der vermutlich nicht ganz ungiftigen Schwaden, die sie beide während der Flucht aus ihrem unterirdischen Gefängnis eingeatmet hatten. »Nerven dich deine bescheuerten Eltern wieder?«
Nico atmete tief ein. Der typische Krankenhausgeruch von Linoleum, Bohnerwachs und Desinfektionsmitteln stach ihm in die Nase â
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