Wyrm. Secret Evolution
»Ich muss Hilfe holen.«
Sie hatte leblos gewirkt, wie sie dort von einem Schuss niedergestreckt neben dem Gartenhäuschen gelegen hatte. Wie tot.
Ihre Augen waren geschlossen gewesen, ihr Mund zu einer Grimasse der Angst verzogen. Und zwischen ihren Fingern war Blut hervorgesickert.
Vielleicht war sie tot, vielleicht auch nicht. Er musste das herausbekommen. Er musste Hilfe holen. Er musste â¦
Der Gartenzwerg mit der drohend hochgerissenen Fächerharke kam in sein Blickfeld. Er versuchte auszuweichen, stolperte über eine GieÃkanne (was sollte eine GieÃkanne hier drauÃen? Für gewöhnlich räumten seine Eltern alle Gartenutensilien sofort nach Benutzung wieder weg) ⦠und fiel der Länge nach in den Matsch.
*
Das Handy in Mayas Hosentasche begann zu klingeln, ein Laut, der auf Maya so elektrisierend wirkte wie das Klirren von Münzen im Ausgabeschlitz eines Spielautomaten auf einen abhängigen Spieler. Es war nicht irgendein Klingellaut, der ertönte â es war der leicht spacige Sound, den sie mit einer Spezialfunktion ihren Freunden zugeordnet hatte.
Nico und Jana.
Oder David!
Sie lieà das Taschentuch fallen, das wie ein prall gefüllter roter Ballon zu Boden plumpste, und griff mit der verletzten Hand in die Hosentasche. Die Wunde scheuerte über ihre Gürtelschnalle, sie spreizte rasch die Hand und versuchte das kleine Mobiltelefon mit spitzen Fingern hervorzuziehen.
»He, erst bin ich dran!«, protestierte Alina, die noch immer wie ein Stück Schlachtvieh kopfüber in der schmalen Fensteröffnung hing.
»Halt die Schnauze«, murmelte Maya geistesabwesend, »bevor ich sie dir stopfe.«
»Versuchâs doch!«, schimpfte Alina. »Aber mach mich erst los!«
Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis Maya das Handy hervorgezogen hatte. Und bis sie es dann so weit umgedreht hatte, um das Display erkennen zu können, schien die Zeit sich endlos ausgedehnt zu haben.
Das Display zeigte das Foto eines Jungen. Im ersten Moment glaubte Maya, es sei David, und ein freudiger Schauder durchfuhr sie. Beim zweiten Hingucken erkannte sie dann aber das breite Grinsen auf dem nicht minder breiten Gesicht: Nico.
»He!«, plärrte Nicos Stimme aus dem Lautsprecher, kaum dass sie das Handy gegen das Ohr gepresst hatte. »Wo steckst du?«
»Unwichtig«, murmelte Maya. »Seid ihr noch in der Klinik â oder schon unterwegs?«
»Hast du meine SMS nicht gekriegt?«, fragte Nico.
»Doch klar. Aber ihr seid doch sicher noch nicht fit â¦Â«
»Jedenfalls fit genug, dass wir uns ein paar Klamotten ausgeborgt haben und ab durch die Mitte sind«, sagte Nico. »Jetzt sind wir bereits unterwegs zum dem geheimen U-Tunnel an der Kneipe â¦Â«
»Bloà keine Einzelheiten!«, entfuhr es Maya in der Sorge, dass sie abgehört wurden.
»Ja, klar, war ja auch nur ein Scherz â¦Â« Nico klang plötzlich gehetzt. »Dann bis später. I just call you.«
Damit brach die Verbindung ab. Maya starrte noch eine ganze Weile auf das Handy, während Alina auf etwas ganz anderes starrte: auf das Taschentuch, was Maya hatte fallen lassen und das jetzt direkt vor ihrer Nase auf dem Boden lag.
»Wäre nett, wenn du jetzt dein blutverschmiertes Ding wegnehmen könntest«, sagte Alina. »Da kann man sich ja alles Mögliche daran holen!«
Maya seufzte. Sie musste sehen, dass sie ihre vermeintliche Doppelgängerin ganz schnell wieder loswurde. Die Kleine ging ihr so was von auf den Keks.
*
Tom begriff erst, dass etwas nicht stimmte, als er den pulsierenden Schmerz in seiner Hand spürte. Er lag nicht in seinem Bett, er hatte keinen Albtraum gehabt: Es war etwas Fürchterliches passiert â¦
Er riss die Augen auf.
Helles Sonnenlicht blendete ihn. Nein, nicht Sonnenlicht, verbesserte er sich in Gedanken. Sondern eine helle Tageslichtlampe, die direkt auf ihn gerichtet war. Er lag auf einer Art Zahnarztstuhl. Irgendwo am Rande seines Blickfeldes tuschelten zwei WeiÃkittel miteinander.
Hatte er einen Unfall gehabt?
Nein. Die Erinnerung überfiel ihn mit brutaler Heftigkeit: Erst hatten seine Geräte verrücktgespielt, dann hatte er Angy im Garten entdeckt, niedergestreckt von einem Schuss. Irgendwie war er dann in den schmiedeeisernen Zaun mit seinen spitzen Ausläufern geflogen â und hatte sich die Hand aufgespieÃt.
»Er ist wach«,
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