X-Wing 06 - Operation Eiserne Faust
freien Lauf.
»Es ist schon gut«, sagte Tyria. »Selbst gute Nachrichten können einem manchmal einen furchtbaren Schock versetzen. Bist du auch ganz sicher, daß du den Arzt nicht sehen willst?«
»Keinen Arzt.« Was sollte sie nur tun? Erst vor wenigen Tagen hatte sie ihren ursprünglichen Plan aufgegeben, den Wunsch, Zsinj zu dienen. Sie hatte beschlossen hierzubleiben, hatte beschlossen, hier heimisch zu werden, hierherzugehören. Und jetzt hatte Zsinj einen dicken Strich durch diese Zukunft gemacht, in die sie einfach hineingestolpert war.
Sie stand auf, hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben, und sah Tyria mit einem unsicheren Lächeln an. »Ich glaube, ich muß mich einfach ein wenig bewegen.«
»Das verstehe ich. Und wenn du später mit jemandem reden willst…«
»Vielen Dank.«
Von ihrem Wohncontainer aus ging sie nach rechts in den Graben, der tiefer in den Bergwerksschacht hineinführte und der den Gespenstern als Behausung diente. Tiefer bedeutete, sich von ihren Kameraden zu entfernen.
Face, der wieder an seinem Lieblingstisch auf der »Terrasse« saß und sich Notizen für den bevorstehenden Einsatz machte, sah, wie Lara aus ihrem Container kam und wegging. Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu, konnte sich aber nicht konzentrieren und blickte ihr nach. Da war irgend etwas an ihren Bewegungen, was ihn nachdenklich machte…
Sie war ärgerlich, keine Frage. Aber das war nicht alles. Plötzlich hatte sie für ihn die typische Haltung eines Coruscanters – kürzere Schritte, leicht nach vorn hängende Schultern, einfach die Haltung einer Frau, die seit vielen Jahren in den bedrückenden und geradezu Paranoia erzeugenden Gebäudeschluchten der imperialen Thronwelt gelebt hat.
Oder Admiral Trigit hatte ihr vielleicht beigebracht, so zu gehen, als sie seine Gefangene war, als er sie unter Einfluß von Drogen gehalten hatte. Das würde eher einleuchten; ein Mann wie Trigit würde die langen, weit ausholenden Schritte eines aldivyanischen Farmermädchens vielleicht als ständige Herausforderung empfinden, sich darüber ärgern, und, da er doch bereits ihren Geist gebrochen hatte, auch ihre Bewegungsweise beeinflussen.
Face seufzte. Er argwöhnte, daß Lara Notsils Bewußtsein ein größeres Chaos war, als das bisher jemandem klargeworden war. Hoffentlich würde sie bei ihren Gespensterkollegen Rat und Hilfe suchen, wenn sie erkannte, daß sie Probleme hatte, überlegte er. Und bis es dazu kam, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie im Auge zu behalten und bereit zu sein.
Etwas beunruhigt wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
Einen »Block« weit von ihrem Container – darunter verstanden sie eine ununterbrochene Reihe von Frachtcontainern – stieß Lara auf Kell Tainer. Der hünenhaft gebaute Lieutenant trainierte mit einem Kampfdummy, einem Objekt von der Gestalt eines Menschen aus zähem und doch genügend nachgiebigem Material, das den Schlägen von Kells Fäusten, Füßen, Ellbogen und Knien standhielt. Als er bemerkte, daß Lara ihn beobachtete, hielt er inne.
»Ist das deine Art, dich zu entspannen?« fragte sie.
»Allerdings.«
»Und was tust du, wenn du am liebsten schreien möchtest?«
Er deutete weiter in den alten Bergwerksschacht hinein. »Zwei Blocks weiter unten ist links eine Motortür. Sie führt in einen Quertunnel. Er ist etwa hundert Meter weit beleuchtet und hat auch Schwerkraft. Die Grenze ist gelb markiert. Weiter solltest du nicht gehen.«
»Danke.«
Er hatte recht. Als sich die Tür zu dem Seitentunnel hinter ihr geschlossen hatte, konnte sie spüren, daß sie von den Gespenstern abgeschnitten war, ebenso wie von jedem Kontakt mit anderen Leuten. Nur die beruhigende Massivität von Steinwänden und Metalltüren umgab sie.
Sie schrie, schrie ihren ganzen Zorn und ihre ganze Verwirrung hinaus, bis ihre Kehle schmerzte. Ihr Schrei hallte durch den halbbeleuchteten Korridor und verlor sich in der Ferne. Dann schrie sie wieder und wieder, bis ihr fast die Stimme versagte. Aber die Verwirrung blieb. Nur müde war sie jetzt. Dann lehnte sie sich gegen die rauhe Steinwand, ließ sich daran hinunterrutschen, bis sie saß, und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
Ihr kleiner Urlaub war vorbei. Es war Zeit, wieder analytisch zu denken.
Zum ersten war Zsinj im Begriff, die Zukunft zu zerstören, die sie sich gerade erst zum Ziel gesetzt hatte. Was konnte sie dagegen tun?
Zum zweiten hatte sie gerade eine Identitätskrise durchgemacht, zu der es eigentlich nie
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