Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
gerichtet?«
»Sie stellen viele Fragen«, kommentierte Shira und hob die Hände, als ob sie Harry abwimmeln wollte. »Wir werden noch Zeit finden, alle Ihre Fragen zu beantworten. Aber, bitte, seien Sie hier unsere Gäste; Sie müssen uns gestatten, Ihnen unsere Gastfreundschaft zu erweisen.«
Harry zeigte auf das aufgerissene Wrack des Beiboots der Cauchy. »Ihr habt eure Gastfreundschaft ja schon unter Beweis gestellt.«
»Sei nicht so ätzend, Harry«, meinte Poole gereizt. »Hören wir uns an, was sie zu sagen haben.« Er wandte sich dem Mädchen zu und versuchte, verbindlich zu klingen. »Danke, Shira.«
»Ich werde Sie mit in mein Quartier nehmen«, erklärte Shira. »Bitte folgen Sie mir.« Dann drehte sie sich um und führte sie in Richtung des Zentrums des Erd-Schiffes.
Poole, Harry und Berg folgten Shira mit einigen Schritten Abstand. Die Augen der Harry-Projektion sondierten unentwegt das Terrain, als sie in das aufgelockerte Labyrinth aus einstöckigen, grauen Gebäuden im zentralen Sektor des Schiffes eindrangen.
Poole mußte sich beherrschen, Berg nicht zu berühren und zu packen, wie damals in ihrer Kindheit.
Auf ihrem Marsch hatte Poole den eigenartigen Eindruck, daß er in regelmäßigen Intervallen in flache Vertiefungen in der grasbewachsenen Erde treten würde; aber so weit er sehen konnte, war das Gelände eben. Die Krater schien einen Durchmesser von etwa einem Meter zu haben. Verstohlen beobachtete er Shira bei ihrer Führung durch das kleine Dorf; sie hatte einen eleganten Gang, aber er bemerkte, daß auch sie um ein paar Grad rückwärts und vorwärts kippte, als ob sie unsichtbare Vertiefungen ausgleichen wollte.
Harry segelte natürlich einige Millimeter über der Graslandschaft.
Er beugte sich dicht zu Berg hinüber und flüsterte: »Sie scheint ungefähr fünfundzwanzig zu sein. Wie alt ist sie denn wirklich?«
»Ungefähr fünfundzwanzig.«
»Machen Sie Witze?«
»Ich meine es ernst.« Berg fuhr sich mit einer Hand durch die drahtige Kurzhaarfrisur. »Sie haben die AS-Technologie verloren – oder vielmehr ist sie ihnen weggenommen worden. Von den Qax.«
Harry schaute drein, als ob er es nicht fassen könnte. »Was? Wie kann das passiert sein? Ich dachte immer, daß diese Leute uns weit voraus wären… Gerade das hatte nämlich die Spannung von Michaels Zeit-Interface-Experiment ausgemacht.«
»Ja«, meinte Poole grimmig, »aber es scheint so, daß Geschichte kein stetiger Entwicklungsprozeß ist. Wer sind übrigens die Qax?«
»Sie wird es dir erklären«, versprach Berg düster.
»Wenn sie dir auch sonst nicht viel sagt, über die Qax wird sie reden. Diese Leute bezeichnen sich selbst als die Freunde von Wigner.«
»Wigner?« fragte Poole. »Eugene Wigner, der Quantenphysiker?«
»Soweit ich weiß.«
»Warum?«
Berg zuckte bedauernd die Schultern, wobei die Knochen an dem groben Stoff ihrer Kombination schabten. »Wenn ich darauf die Antwort hätte, wüßte ich wohl schon fast alles.«
»Miriam«, flüsterte Poole, »was hast du über den Gravitationsgenerator in Erfahrung gebracht?«
Berg schaute ihn an. »Willst du Einzelheiten oder nur einen Abriß?«
»Ein Abriß reicht…«
»Tote Hose. Sie haben mir nichts gesagt. Ich glaube auch nicht, daß sie irgend jemandem etwas sagen wollen. Ich glaube sogar, daß sie mich am liebsten gar nicht hier hätten. Und dadurch, daß ich eine Nachricht an dich rausgeschmuggelt habe, bin ich ihnen sicher auch nicht sympathischer geworden.«
»Warum an mich?« wollte Poole wissen.
»Zum einen dachte ich mir, wenn es jemanden gibt, der herausfinden kann, was hier läuft, bist du das. Zum anderen, weil ich dachte, daß du die größten Chancen hättest, hier eine Landeerlaubnis zu erhalten; dein Name ist so ungefähr der einzige aus unserer Zeit, den diese Leute kennen. Und dann noch…«
»Ja?«
Berg zuckte fast verlegen die Achseln. »Weil ich einen Freund brauchte.«
Poole, der neben ihr ging, nahm ihren Arm.
Er drehte sich zu der Projektion um. »Harry, diese unsichtbaren Vertiefungen in der Landschaft…«
»Welche Vertiefungen?« fragte Harry überrascht.
»Sie sind jeweils einen Meter voneinander entfernt«, instruierte ihn Poole. »Ich vermute, daß sie deshalb entstehen, weil die Gravitationsquelle dieses Schiffes, wie auch immer sie beschaffen sein mag, um ein paar Prozent schwankt.«
Berg nickte. »Das habe ich mir auch schon überlegt. Wir bewegen uns dann also durch kleine Schwerkraftquellen,
Weitere Kostenlose Bücher