Xeelee 3: Ring
ein Adressat existierte.«
Weiter auf die Sonne zu gab es die Kuiper-Objekte, zu denen auch Port Sol gehörte: Vereiste Miniaturwelten, deren Orbitalradien nicht viel größer waren als die der äußeren Planeten. Und über das ganze System verstreut gab es noch weitere Ringe kleiner Objekte – wie die Asteroiden, die durch die gravitationale Interaktion der großen Planeten in einigermaßen stabile Umlaufbahnen gedrängt worden waren.
»Aber alle diese Ringe aus Kleinstwelten existieren nicht mehr«, erläuterte Louise. »Nun, bis zu einem gewissen Grad muß dieser Schwund mit der forcierten Entwicklung der Sonne zusammenhängen, ganz zu schweigen vom Verlust der drei inneren Planeten. Aber viele der kleinen Objekte müssen zur Zeit der Xeelee-Kriege besiedelt gewesen sein.«
»Also sind die Objekte vielleicht absichtlich vernichtet worden – noch mehr Kriegsopfer.«
»Richtig.«
Seilspinnerin ließ Apfelsaft im Mund herumschwappen und hätte ihn am liebsten ausgespuckt.
Seilspinnerin hatte nur über Louises Computer und Unterlagen etwas vom Sonnensystem erfahren, aber selbst dadurch hatte sie bereits den Eindruck eines riesigen, dynamischen und prosperierenden Weltensystems gewonnen. Es hatte große Orbitalstädte gegeben, dicht besiedelte Welten, die durch Wurmloch-Transitstrecken miteinander verbunden waren, und Schiffe wie riesige, extravagante Diamanten, die am goldgelben Antlitz der Sonne vorbeizogen. Irgendwo in ihrem Innern – ungeachtet all der düsteren Warnungen von Suprahet – hatte sie gehofft, hier anzukommen und alles so vorzufinden, wie sie es gelesen hatte.
Statt dessen gab es nur diese sterbende Sonne und ihre toten Welten… selbst die Wurmlochrouten waren anscheinend geschlossen worden. Und hier war sie nun, steckte im Cockpit eines Fremdraumschiffes und spulte Dutzende Milliarden Kilometer auf der Suche nach einer traurigen, isolierten Boje ab.
Sie begann eine Reihe von einfachen Gymnastikübungen, die sie durchführen konnte, auch ohne den Sitz zu verlassen. »So, Louise. Du sagst also, daß Sol tot sei. Das System ist tot. Und du klingst – verärgert deswegen. Aber was hast du denn sonst erwartet vorzufinden?«
»Ich habe überhaupt nichts erwartet. Ich habe mehr erhofft«, korrigierte Louise. »Aber ich vermute, daß die langsame Auszehrung der Sonne in Verbindung mit den Angriffen der Xeelee ausgereicht hat, das System zu zerstören…«
Seilspinnerin fühlte plötzlich eine tiefe Depression, als ob die Last all jener Jahre, diese Hunderte Milliarden Leben, die in nichts als diesem kosmischen Trümmerhaufen resultiert hatten, sie nun niederdrückten.
»Louise, ich will nichts mehr hören.«
»In Ordnung, Seilspinnerin. Ich…«
Seilspinnerin unterbrach die Verbindung.
Sie verdunkelte das Helmvisier und blendete auf der Innenseite ein beruhigendes grünes, kühles Licht ein, das Licht einer künstlichen Sonne, das von Blättern gefiltert ihre Kindheit beschienen hatte. Sie versank in dem warmen Gefühl ihrer Muskeln, während sie ihre Übungen absolvierte.
Vor der Geräuschkulisse der Sirene hielt die Truppe von der Northern Kriegsrat.
»Ich bin auf Erkundungsgang gewesen«, sagte Mark. »Und soweit ich weiß, ist die Lage auf allen Decks die gleiche. Nirgendwo sind Leute zu sehen. Überall die gleiche Leere… Alle haben sich in die Tempel zurückgezogen. Und es wird nicht leicht werden, sie da wieder herauszuholen.«
»Dann lassen wir sie eben drin«, schlug Froschfängerin mit Sinn für Pragmatismus vor. »Wenn sie es so haben wollen.«
Morrow studierte ihr rundes, glattes Gesicht. »Leider ist das keine Option«, lehnte er sanft ab. »Wir müssen sie beschützen.«
»Vor sich selbst?«
»Wenn nötig, ja. Auf jeden Fall aber vor den Planern von Suprahet.«
Froschfängerin warf bei diesen Worten den Kopf hoch. »Warum?«
Morrow begann ungeduldig zu werden. »Weil wir müssen. Schau, Froschfängerin, ich wollte diesen Abstecher zu den Decks genauso wenig unternehmen wie du. Es ist nicht meine Schuld, daß wir beschossen werden…«
»Hungere sie aus«, verlangte Froschfängerin schlicht.
Morrow wandte sich ihr zu. »Was?«
»Hungere sie aus.« Sie drehte sich um und musterte kritisch den Tempel, als ob sie seine Kapazitäten einschätzen wollte. »Es müssen sich Hunderte Menschen dort drin befinden – und in den anderen Tempeln. Sie können nicht so viele Lebensmittel und ausreichend Wasser haben; es ist einfach nicht genug Platz. Ich sage, laßt uns hier
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