Xeelee 4: Flux
hübschem Gesicht. »Es ist ein Tetraeder«, sagte sie.
Die fünfzehn Menschlichen Wesen versammelten sich am unteren Waldrand und diskutierten das weitere Vorgehen. Die ängstliche und verunsicherte Dia sprach sich dagegen aus, Zeit mit dieser zufälligen Begegnung zu verschwenden; sie wollte die Wanderung zum Pol fortsetzen. Mur ging mit ihr konform. Die Menschlichen Wesen waren ohnehin schon gespalten und demotiviert und wurden immer apathischer. Es wurde immer schwieriger, die Dynamik der Wanderung entlang des Mantels aufrechtzuerhalten, und wenn sie erst einmal erloschen war, dann würde sie wohl nie mehr aufleben.
Sie würden dort stranden, wo sie gerade stehengeblieben waren. Und das wäre für die Leute, deren Kinder sich in Parz befanden, unerträglich gewesen.
Philas und die anderen drängten sie zu einer Entscheidung. »Denkt drüber nach«, sagte sie eindringlich und mit beschwörend erhobenen Armen. »Was, wenn das wirklich eine Wurmloch-Schnittstelle aus der Vergangenheit ist? Was, wenn sie noch funktioniert?«
»Das ist unmöglich«, sagte Dia. »Nach den Kern-Kriegen wurden die Schnittstellen von den Kolonisten in den Kern geschafft.«
»Der Mantel ist ein weiträumiger Ort«, wandte jemand ein. »Vielleicht gibt es noch funktionsfähige Geräte. Vielleicht…«
»Ja«, griff Philas das Argument auf, »das solltest du bedenken. Wie wir wissen, haben die Menschlichen Wesen in der Zeit vor den Kriegen den Mantel mittels der Wurmlöcher durchquert. Wenn das dort unten ein funktionierendes Interface ist, wären wir innerhalb eines Herzschlags am Ziel!«
Mur ließ den Blick über die von Hunger und Erschöpfung gezeichneten Gesichter schweifen. Philas hing dem Traum nach, diese qualvolle Reise zu verkürzen und mit Hilfe alter Zaubertechnik blitzschnell ans Ziel zu kommen. Es war verlockend und plausibel, mithin unwiderstehlich.
Ungeachtet seiner Loyalität zu Dia verfiel auch Mur diesem Traum.
»Es sind schon Leute dort«, sagte er schleppend. »In der Nähe der Schnittstelle. Falls es überhaupt eine Schnittstelle ist. Wer weiß, wie sie auf unser Erscheinen reagieren? Ob sie uns einfach so hindurchgehen lassen?«
»Vielleicht sind es Kolonisten«, spekulierte Philas.
»Wie auch immer«, sagte jemand, »wir werden es nie erfahren, wenn wir nicht hingehen und es herausfinden…«
Zustimmendes Gemurmel ertönte. Dia senkte den Kopf.
Philas und Mur wurden als Späher vorausgeschickt, um das Artefakt zu identifizieren; der Rest der Menschlichen Wesen würde bis zu ihrer Rückkehr im Wald bleiben.
»Es wird nicht lange dauern«, sagte Mur tröstend zu Dia. »Und vielleicht…«
»Vielleicht gibt es dort Magier, die uns Jai herbeizaubern. Hoffst du etwa darauf?«
»Dia…«
Sie schien zusammenzusacken, als ob die Luft aus ihr entwiche. »Wir werden den Rest unseres Lebens hier verbringen. Genau hier. Und einer nach dem anderen sterben. Ist es nicht so, Mur?«
Philas und Mur verließen den Wald und tauchten in den Mantel ein. Weil das pyramidenförmige Artefakt vielleicht eine halbe Tagesreise entfernt war, hatte jeder von ihnen einen Beutel mit einem Teil des wertvollen und schwindenden Vorrats an Schweinefleisch dabei.
Anfangs drehte Mur sich noch öfters zum Krusten-Wald um. Dia, deren Gesicht nun einem kleinen, runden Blatt glich, verfolgte ihren Abstieg; sie war aber schon zu weit entfernt, als daß er ihren Gesichtsausdruck erkannt hätte. Dann verschwand sie wieder im Wald. Für eine Weile verfolgte Mur noch die Bewegungen der durch den Wald streifenden Menschlichen Wesen, welche die Zeit dazu nutzten, auf die Jagd zu gehen und beschädigte Werkzeuge, Seile und Kleidung auszubessern. Schließlich verschmolz das Lager der Menschlichen Wesen mit der wirbelnden, komplexen Kulisse aus Baumstämmen und Ästen, aus denen der Krusten-Wald bestand.
Sorgfältig prägte Mur sich das Baum-Muster des Waldes ein, damit sie die Menschlichen Wesen auch wiederfanden.
Wortlos stieg Philas zum Artefakt hinab. Ihr ganzes Interesse galt dem Ziel; das hagere Gesicht war ausdruckslos. Seit dem Tod von Esk hatte Mur sie nicht mehr so konzentriert gesehen. Sie kramte im Beutel und biß in ein Stück Fleisch.
Mur, der seinen Gedanken nachhing, fiel durch die Feldlinien. Das Artefakt und die kleine Kolonie, die sich darum versammelt hatte, rückte quälend langsam näher. Doch bald erkannte er zweifelsfrei, daß es sich bei dem Artefakt wirklich um einen Tetraeder handelte, mit einer Kantenlänge von
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