Xeelee 4: Flux
spöttisch.
»Nein«, sagte Farr, dessen Phantasie anscheinend auf Hochtouren arbeitete. »Wir verwenden supraleitende Spulen. Wie die Anker-Bänder. Man könnte sie vom Innern der Glocke aus bewegen, und…«
»Gut«, sagte Seciv. »Aber man könnte noch etwas weiter gehen. Man müßte die Spulen überhaupt nicht manuell bewegen; der in ihnen fließende Strom würde schon eine Vorwärtsbewegung bewirken.«
Muub nickte. »Ich verstehe. Wir würden den Strom also hin- und herfließen lassen.«
»Er würde die Flußrichtung wechseln. Exakt. Dann könnten die Spulen auch starr an der Hülle befestigt werden. Außerdem wäre das in gewisser Weise auch eine ökonomische Konstruktion: das Antriebssystem des Fahrzeugs würde gleichzeitig den magnetischen Schutzschirm erzeugen.« Er runzelte die Stirn. »Wir hätten dann aber immer noch das Problem, daß die Kabine durch die Wärmeentwicklung der Kernbrand-Turbine überhitzt wird…«
Dura bemerkte, daß Hosch etwas sagen wollte; er zögerte jedoch, weil er es nämlich haßte, etwas Konstruktives beizutragen. »Aber man brauchte gar kein nukleares Feuer«, sagte er schließlich. »Man könnte die Turbine auch anders antreiben… und sei es mit Muskelkraft.«
»Nein, ich befürchte, mit Muskelkraft wäre diese Aufgabe nicht zu bewältigen. Aber wir könnten uns die Kraft von Tieren zunutze machen – Luft-Schweine vor die Turbine spannen – ja, das wäre möglich!« Lachend schlug er Adda auf den Rücken, so daß der alte Mann sich langsam drehte. »Dann werden wir also doch noch auf Schweinen zum Kern reiten!«
Adda stabilisierte sich wieder und setzte ein breites Grinsen auf.
Muub ließ den Blick über die Gruppe schweifen. »Ich fasse es nicht.« Es klang enttäuscht. »Ich glaube, wir haben ein praktikables Konzept erarbeitet… es könnte wirklich funktionieren.«
Seciv zupfte sich am Kinn; Dura hatte noch nie so knochige und zarte Hände gesehen. »Wir sollten einen Prototyp bauen – bei der Konstruktion werden noch viele unvorhergesehene Probleme auftreten. Und bezüglich der Bedingungen, denen das Fahrzeug beim Abstieg ausgesetzt ist, können wir nur spekulieren.«
»Und dann«, sagte Dura, wobei es ihr kalt über den Rücken lief, »gibt es da noch die Kolonisten. Die Mission wird ein Fehlschlag, wenn wir nicht auf Kolonisten stoßen. Was dann?«
»Gute Frage«, sagte Seciv.
Muub fuhr sich über die Glatze. »Verdammt. Verdammt. Ihr habt so gute Arbeit geleistet, daß ich nicht guten Gewissens zu Hork gehen und ihm melden kann, die Idee sei undurchführbar.« Er musterte den Hafen meister. »Hosch, ich will, daß du die Konstruktion und den Bau des Prototyps leitest.«
Hosch sah Muub grimmig an; sein hageres Gesicht war aschgrau.
»Diese Oberströmler werden dir helfen, und Seciv auch«, sagte Muub eisig. »Für den Bau stellst du ein paar Hafen arbeiter ab. Achte aber darauf, daß die Ausführung schlicht und kostengünstig gerät, klar? Wir dürfen nicht mehr Energie dafür vergeuden als unbedingt notwendig.« Dann drehte er ihnen den Rücken zu. »Sagt mir Bescheid, wenn der Prototyp fertig ist.«
Langsam folgten die Menschlichen Wesen Muub und den anderen aus dem Stadion.
»Da haben wir also die Gelegenheit, Göttern aus der Vergangenheit zu begegnen«, sagte Adda.
»Keine Götter«, widersprach Dura. »Nicht einmal die Xeelee sind Götter… Aber diese Kolonisten sind vielleicht Monster, falls sie überhaupt existieren. Denkt nur an die Kern-Kriege.«
Adda schniefte. »Die verdammte Expedition wird gar nicht erst so weit kommen. Diese Schwimm-Glocke wird nämlich zerquetscht werden.«
»Vielleicht. Aber du brauchst deshalb nicht so mißgelaunt zu sein, Adda. Ich weiß doch, daß dir die Idee gefallen hat. Die Phantasie und der Elan dieser Städter sind bewundernswert.«
»Und was nun?« fragte Adda. »Willst du deine Freundin Ito suchen?«
»Später… vorher habe ich noch etwas zu erledigen. Ich muß jemand anders suchen – die Tochter meiner Freundin Rauc von der Decken-Farm.«
»Weiß das Mädchen schon, was mit seiner Mutter geschehen ist?« fragte Adda.
»Nein«, sagte Dura leise. »Ich werde es ihr sagen.«
Adda nickte.
Und eines Tages, sagte Dura sich, werde ich in die Wälder am Oberlauf gehen müssen und Brow sagen…
Sie schaute zu Farr. Der Junge hatte den Blick in die Ferne gerichtet; sein Gesicht war ausdruckslos. Sie glaubte, seine Gedanken lesen zu können. Die Menschen bauten ein Schiff, um die Kolonisten zu suchen.
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