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Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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schon gesehen haben. Außerdem ist Hork nicht da, wie Sie sicher wissen. Deshalb besteht in den Augen meiner unbedarfteren Kollegen bis zur Rückkehr des Vorsitzenden so etwas wie ein Machtvakuum.« Für einen Moment lauschte er mit zur Seite geneigtem Aristokratenschädel dem Geschwätz der Höflinge. »Man hört es an ihrem Ton«, sagte er. »Sie verhalten sich wie Kinder, deren Vater nicht da ist.« Er seufzte.
    Adda grinste. »Nun«, sagte er, »immerhin weiß ich nun, daß Sie sich nicht nur im Vergleich zu den Oberströmlern für etwas Besseres halten.« Geflissentlich ignorierte er Muubs Reaktion; er machte es sich im Kokon bequem und schaute durch die unter ihm liegende Klarholz-Wand.
    Er hockte sozusagen auf dem oberen Rand der Stadt. Die narbige, hölzerne Haut erstreckte sich unter ihm in die Tiefe, und die breiten Ankerbänder aus Kernstoff durchschnitten als silbergraue Bögen den Himmel. Weit unterhalb der Stadt zeichnete der Pol sich als purpurner Fleck ab. Schimmernde Feldlinien durchzogen den Himmel über der Stadt, auf dem Weg zu ihrem eigenen Rotationspol hinter der Krümmung des Sterns…
    Für einen Moment betrachtete Adda die Feldlinien und fragte sich, ob sie dichter gebündelt waren als sonst. Er hielt Ausschau nach einer Luft-Strömung, dem Vorboten eines neuen Störfalls. Weil er sich aber nicht in der freien Luft befand, war er nicht imstande, die Veränderungen in den Photonen zu riechen und die Turbulenzen in der Luft zu schmecken und konnte somit auch nicht sagen, ob eine Veränderung eingetreten war.
    Das Stadion war mit Leuten angefüllt, die durch die Luft schwärmten und sich an den Seilen und Stangen entlanghangelten, die kreuz und quer durch das Stadion verlieren. Sogar durch die Wände aus Klarholz hörte Adda das Raunen der Menge; der Schall breitete sich in Wellen erhöhter Intensität aus, die mit einzelnen Stimmen durchsetzt waren – dem Schreien eines Babies, den schrillen Rufen von fliegenden Händlern, die ihre Waren anpriesen. Durch Abflußrohre strömten Fäkalien aus dem Stadion in die freie Luft.
    Draußen vor der Stadt schwammen Aerobaten geschmeidig durch die Luft, um das Publikum auf die eigentlichen Spiele einzustimmen. Die jungen, schlanken Künstler waren nackt und mit leuchtenden Farben bemalt; schwungvoll wirbelten sie um die Feldlinien und übten sich im Formationsflug. Addas Schätzungen zufolge mußten es hundert Darsteller sein; der scheinbar chaotische, jedoch minutiös choreographierte Tanz vermittelte den Anschein in der Luft explodierender Leiber.
    Dann spürte er, daß Muub ihn beobachtete; es stand Neugier in den Augen des Arztes. Adda ließ die Kinnlade herunterklappen und mimte den von den Eindrücken überwältigten Touristen. »Meiner Treu«, sagte er. »So viele Leute.«
    Muub warf den Kopf zurück und lachte. »In Ordnung, Adda. Das habe ich vielleicht verdient. Aber Sie werden es mir nicht verdenken, wenn Ihre Reaktionen mich faszinieren. Schließlich müssen solche Szenen in Ihrem früheren Leben am Oberlauf für Sie unvorstellbar gewesen sein.«
    Adda ließ den Blick schweifen und versuchte, die Szene in ihrer Gesamtheit zu erfassen – die von Menschenhand errichtete Stadt selbst, die tausend Leute, die sich alle aus demselben Grund hier versammelt hatten, der schier unglaubliche Reichtum der Höflinge, die in edles Tuch gehüllt in der Loge saßen und von Dienern umschwärmt wurden, die ihnen Naschwerk servierten, die Aerobaten, die ihren großen Himmelstanz aufführten. »Ja, es ist beeindruckend«, bestätigte er und suchte nach Worten, um seinen Empfindungen Ausdruck zu verleihen. »Mehr noch als das. In gewisser Weise sogar erhebend. Wenn die Menschen zusammenarbeiten, könnten wir selbst den Stern aus den Angeln heben. Es ist gut zu wissen, daß nicht jeder in der Luft ein erbärmliches Dasein fristet, wie es bei den Menschlichen Wesen der Fall ist. Und doch…«
    Und doch, weshalb mußte es überhaupt Reichtum und Armut geben? Die Stadt war zwar eine großartige Konstruktion, doch im Vergleich zum Stern war sie nur ein Staubkorn – und sie war sicher nicht größer als der Daumen eines Ur-Menschen. Doch selbst an diesem winzigen Ort gab es starre Hierarchien: die Höflinge in der Loge, abgeschirmt von den Massen unter ihnen; die Oberstadt und die Unterstadt, und die unsichtbare – deshalb nicht minder reale – Barriere zwischen ihnen. Mußte das so sein? Es hatte den Anschein, daß die Menschen Orte wie diesen allein zu dem Zweck

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