Xeelee 4: Flux
Ausgang der Loge blockierten.
Erneut schaute Adda auf das überfüllte Stadion hinunter. Die Panik war so groß, daß die Leute sich bereits tottrampelten; er sah zerdrückte Körper, schlaffe Gliedmaßen und die Gesichter von erstickten Menschen, die wie weiße Blumen in der Masse aus Leibern trieben.
Er wandte sich ab und hielt auf den Ausgang zu.
Farr konnte überall sein – als Teilnehmer oder Zuschauer beim Surfwettkampf vor der Stadt oder unten im Hafen bei seinen alten Arbeitskollegen –, doch wenn er sich mit Adda treffen wollte, würde er sicher die Mixxax’ aufsuchen. Das auf halber Höhe der Oberstadt gelegene Domizil der Mixxax’ befand sich auf der entgegengesetzten Seite von Parz, und Adda trat die beschwerliche Reise durch die Stadt an.
Es war, als ob ein bösartiger Riese, der wie ein Spin-Sturm lachte, die Stadt durchschüttelte. Die Menschen, ob jung oder alt, ob elegant gekleidete Reiche oder Arbeiter in schmutzigen Monturen, alle flohen sie durch die Straßen-Korridore; ihre Schreie brachen sich in den Avenuen und Luft-Schächten. Vielleicht strebte jeder einzelne dieser Menschen einem bestimmten Ziel entgegen – wie Adda auch. Doch in ihrer Gesamtheit wirkten die Leute wie ein amorpher Schwarm.
Für Adda war es wie eine Reise durch die Hölle. Noch nie zuvor hatte er sich in dieser von Wahnsinnigen für Wahnsinnige erbauten Kiste so eingesperrt gefühlt; er sehnte sich in die freie Luft zurück, wo er sehen konnte, wie der Stern sich verhielt. Schließlich erreichte er Pall Mall. Die große, vertikale Avenue war mit Lärm und Licht erfüllt; Menschen und Fahrzeuge schwärmten durcheinander. Lautsprecher plärrten, Schaufenster wurden eingeworfen, und Männer und Frauen hasteten mit gestohlener Kleidung und Schmuck durch die Menge. Über ihm, am oberen Abschluß von Pall Mall, wurde das goldene Licht des so friedlich wie immer daliegenden Palastgartens durch die Bonsais und Teiche gefiltert. Doch nun war der Palast von einem Kordon aus Wachen abgesperrt, um die Bürger daran zu hindern, auf dem Gelände Zuflucht zu suchen.
Adda, der sich fast im Zentrum der Mall befand, war zum Lachen zumute. Wachen. Plünderer … Was versprachen diese Leute sich davon? Was glaubten sie wohl, was hier vorging? Sie konnten sich glücklich schätzen, wenn ihre schöne Stadt nach diesem Desaster noch so intakt war, daß die Plünderer mit ihrem ungerechten Gut prahlen konnten.
Als ob die Stadt seine Gedanken gelesen hätte, erbebte sie.
Die Mall – der vertikale, lichtdurchflutete und von Menschen wimmelnde Schacht, in dem er sich befand – kippte nach rechts. Er ruderte in der Luft und versuchte das Gleichgewicht zu bewahren. Die Stadt stöhnte laut; Holz splitterte, Klarholz zersprang, und dann ertönte ein schrilles Kreischen: so hörte es sich also an, wenn eine Kernstoff-Spante brach.
Menschen regneten durch die Luft.
In ihrer Hilflosigkeit wirkten sie nicht einmal mehr wie Menschen – nun glichen sie eher toten Gegenständen, Holzpuppen vielleicht. Die Körper prallten gegen Gebäude und Pfeiler, und die Mall hallte wider von Schreien und einem unheilverkündenden Knacken.
Eine Frau krachte gegen Addas Oberkörper und raubte ihm den Atem. Mit der Kraft der Verzweiflung klammerte sie sich an ihn, als sei er imstande, sie vor dem drohenden Unheil zu bewahren. Sie mußte in Addas Alter sein. Sie war mit einem Gewand aus schwerem, edlen Tuch bekleidet, das nun offenstand und einen dicken Körper mit Hängebrüsten enthüllte; das blau getönte, am Ansatz gelbe Haar war zerzaust. »Was ist hier los? Was ist hier los?«
So sachte wie möglich löste er sich von der Frau. »Es ist ein Störfall. Verstehen Sie? Das Magfeld verschiebt sich – es wird von der geladenen Materie verzerrt, die vom Quanten-Meer ausgestoßen wird. Die Stadt versucht, eine neue, stabile…«
Er verstummte. Sie sah ihn zwar an, aber sie hatte kein Wort verstanden.
Er knöpfte ihr Gewand zu. Dann bugsierte er sie auf die andere Seite der Mall, wo sie sich vor einem Schaufenster an einen Pfeiler klammerte. Vielleicht würde sie wieder zur Besinnung kommen und nach Hause zurückfinden. Wenn nicht, dann gab es wenig, was Adda für sie tun konnte.
Dann stieß er auf eine Seitenstraße, die in die Pall einmündete. Mit kräftigen Stößen schwamm er sie entlang und versuchte, die Zerstörung um sich herum zu ignorieren.
Die Passage durch das Wurmloch dauerte nur ein paar Herzschläge, doch Dura kam es wie eine Ewigkeit
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