Xeelee 4: Flux
»Wer ich bin? Es ist schon lange her, seit man mich das gefragt hat. Mein Name ist Muub, meine Liebe. Ich bin der Leiter dieses Krankenhauses.« Er musterte sie neugierig. »Und du bist eine Oberströmlerin, nicht wahr?«
»Nein«, erwiderte sie, dieses Wortes plötzlich überdrüssig. »Ich bin ein Menschliches Wesen.«
Er lächelte. »In der Tat.« Muubs Blick streifte die Wachen, und dann wandte er sich Toba Mixxax zu. »Bürger, was geht hier vor? Ich will keine zusätzlichen Probleme in meinem Krankenhaus; davon haben wir auch so schon genug.«
Toba verneigte sich zitternd. Er verschränkte die Arme vor dem Körper, als ob er sich plötzlich schämte, in Unterhosen dazustehen. »Ja. Es tut mir leid, Sir. Ich bin Toba Mixxax; ungefähr dreißig Meter flußaufwärts besitze ich eine Decken-Farm, und ich…«
»Komm zur Sache«, sagte Muub.
»Ich habe einen verwundeten Oberströmler gefunden… einen verwundeten Mann. Ich habe ihn hergebracht. Er befindet sich im Wagen.«
Muub runzelte die Stirn. Dann schwebte er zum Wagen hinüber und steckte Kopf und Schultern durch die Tür. Dura sah, daß der Leiter des Hospitals Adda einer gründlichen Musterung unterzog. Die Speere und Netze der Menschlichen Wesen, die verwendet worden waren, Addas Knochenbrüche zu schienen, faszinierten ihn anscheinend.
Adda öffnete ein Auge. »Verpiß dich«, flüsterte er Muub zu.
Dura bemerkte, daß der Chefarzt Adda mit dem gleichen Gesichtsausdruck musterte, mit dem man einen Blutegel oder eine Spinne betrachtete.
Muub trat vom Wagen zurück. »Dieser Mann ist schwer verwundet. Der rechte Arm…«
»Ich weiß, Sir«, sagte Toba kläglich. »Deshalb sagte ich mir auch…«
»Verdammt, Mann«, erwiderte Muub nicht unfreundlich, »hast du dich auch gefragt, wie sie die Behandlung bezahlen sollen? Sie sind doch Oberströmler!«
Toba ließ den Kopf hängen. »Sir«, sagte er mit zitternder, gleichwohl trotziger Stimme, »es gibt doch noch den Markt. Sowohl die Frau als auch der Junge sind kräftig und gesund. Und sie sind an harte Arbeit gewöhnt. Ich habe sie an der Kruste gefunden, wo sie unter Bedingungen geschuftet hatten, die kein Kuli aushalten würde.« Er verstummte und vermied es, die anderen anzuschauen.
Muub wischte sich die blutverschmierten Finger an der Robe ab und blickte abwesend in den Wagen. »In Ordnung«, sagte er schließlich. »Bring ihn rein, Bürger Mixxax… Wache, hilf ihm. Und nimm die Frau und den Jungen mit. Behalte sie im Auge, Mixxax; wenn sie Amok laufen oder sich sonstwie schlecht benehmen, werde ich dich dafür verantwortlich machen.«
Mixxax’ Stimmung schien sich etwas zu heben. »Ja, Sir. Danke.«
Ein weiterer Wagen schwebte in die Kuppel; offensichtlich brachte er neue Patienten für das Krankenhaus. Müde schwamm Muub davon; die Last der Verantwortung drückte ihn fast nieder.
7
WIDERSTREBEND ERKLÄRTE TOBA SICH BEREIT, Dura und Farr in seinem Stadthaus wohnen zu lassen, während Addas Verwundungen im Krankenhaus behandelt wurden. Als Dura sich sträubte, schaute Toba sie ungehalten an. »Du hast keine Wahl«, sagte er. »Glaube mir. Wenn du eine hättest, würde ich es dir sagen. Ich muß selbst sehen, wie ich zurechtkomme… Und wo willst du überhaupt hin, ohne Geld und ohne Kleider.«
»Wir brauchen keine Almosen.«
»Der edle Wilde«, sagte Toba säuerlich. »Weißt du, wie lange es dauern würde, bis ihr wegen Landstreicherei verhaftet werdet? Ihr habt die Wachen vor dem Krankenhaus gesehen, und den Job haben sie sicher nicht deshalb bekommen, weil sie so umgänglich sind. Landstreicher werden hier nicht gern gesehen. ›Wer keine Steuern ans Komitee zahlt, hat auch kein Bleiberecht in der Stadt‹, heißt es… Bevor ihr es euch verseht, würdet ihr Zwangsarbeit auf einer regierungseigenen Decken-Farm verrichten, oder noch Schlimmeres würde euch widerfahren. Und wer sollte dann wohl die Rechnung für den armen, alten Adda bezahlen?«
Dura erkannte, daß sie wirklich keine Wahl hatte. Sie hatte vielmehr allen Grund, diesem reizbaren kleinen Mann dankbar zu sein – wenn er ihnen nicht angeboten hätte, bei ihm zu logieren, hätten sie nun enorme Schwierigkeiten. Also nickte sie und versuchte, sich ein paar Dankesworte abzuringen.
»Steig in den Wagen«, sagte Toba nur. Sie verließen den Krankenhausparkplatz, und Toba fuhr durch die verstopften Straßen. Die Straßen – hölzerne Korridore mit unterschiedlicher Breite – kamen Dura wie ein Labyrinth vor, und nach ein
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