Xeelee 4: Flux
Verbesserung seiner ohnehin schon guten Laune bei. Der Sektor der Hülle, an dem sie nun vorbeiflogen, war mit einem grob zusammengezimmerten Rahmen bedeckt, einem rechteckigen Holzgitter. Hinter dem Rahmen war die Haut durchbrochen und gab den Blick auf kleine Kammern innerhalb der Stadt frei, die vom grünlichen Licht von Holz-Lampen trübe erhellt wurden. Große Stapel aus Brettern waren mit Tauen am Rahmen befestigt und drifteten in der Luft vor der Stadt; Männer und Frauen wuselten auf dem Rahmen herum, nahmen Bretter von den Stapeln und schlossen damit die Lücken in der Haut.
»Reparaturen«, erwiderte Cris in beiläufigem Ton auf Farrs Frage. »Sie finden andauernd statt. Mein Vater sagt, die Stadt sei im Grunde nie fertiggestellt worden; es gibt immer irgendeinen Abschnitt, der repariert werden muß.«
Nun überflogen sie einen vergleichsweise homogenen Sektor der Hülle, der weder von Türen, Fenstern oder Luken durchbrochen wurde. Farr schaute sich um und sah, wie die letzten Portale hinter dem stark gekrümmten Horizont der Stadt verschwanden. Cris surfte weiter, ohne ein Wort zu sprechen. Während Farr über diesem konturenlosen Bereich der Haut dahindriftete, hatte er plötzlich das absurde Gefühl, aus der Stadt vertrieben worden zu sein – als ob sie ihm den Rücken zugewandt hätte.
Dann begegneten sie einer anderen Gruppe von Menschen, die sich über die Haut bewegten. Zuerst glaubte Farr, daß es sich ebenfalls um Arbeiter handelte, doch hier war die Haut offensichtlich unversehrt. Zumal es auch kein Gerüst gab – nur ein Netz, das locker auf der Haut ausgebreitet war. Eine Gruppe, die aus vielleicht zwanzig Erwachsenen bestand, hockte in einer Ecke des Netzes und war mit irgendwelchen Verrichtungen beschäftigt. Als Farr die Leute überflog, schaute er nach unten und erspähte diverse Habseligkeiten, die im Netz verstaut waren; er sah Speere, Kleidungsstücke und kleinere, zusammengelegte Netze, die man auch beim Inventar der Menschlichen Wesen hätte finden können. Es gab sogar eine kleine Kolonie von Luft -Schweinen, die sich an der Wand zusammendrängten, die mit Seilen an einer in die Haut getriebenen Krampe befestigt war. Ein kleines Kind zappelte schreiend im Netz; sein Wimmern trug in der unbewegten Luft bis zu Farr.
Eine dicke, nackte Frau schaute von ihrer Arbeit auf und richtete den Blick auf die Jungen. Farr sah, daß sie die Fäuste ballte. Fragend sah er Cris an, doch der Stadtjunge bewegte sich auf dem Brett weiter, ohne die kleine Kolonie dort unten auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben.
Farr, der vor Neugier fast platzte, schaute erneut nach unten. Erleichtert stellte er fest, daß die Frau sich wieder abgewandt hatte und zu ihren Gefährten zurückgekehrt war.
» Haut -Reiter«, sagte Cris abfällig. »Aasgeier. Es gibt ganze Kolonien von ihnen, die auf entlegenen Abschnitten der Haut leben.«
»Aber womit ernähren sie sich denn?«
»Hauptsächlich von den Abfällen aus den Entsorgungsanlagen. Sie filtern den Müll mit den Netzen. Einen Teil davon essen sie selbst, und den Rest verfüttern sie an die Schweine. Viele gehen auch auf die Jagd.«
»Und wird das toleriert?«
Cris zuckte die Achseln. »Weshalb nicht? Die Haut-Reiter stören hier niemanden, und sie nehmen auch nicht die Ressourcen der Stadt in Anspruch. Man könnte sogar sagen, daß sie Parz noch effizienter machen, indem sie den Müll der Stadt verwerten. Das Komitee ergreift nur dann Maßnahmen gegen sie, wenn sie kriminell werden. Manche Stämme verüben nämlich Überfälle, weißt du. Sie belagern die Ausgänge und fangen langsamere Fahrzeuge ab. Dann töten sie die Fahrer und stehlen die Schweine; für die Wagen selbst haben sie keine Verwendung. Und manchmal fallen sie sogar übereinander her und führen sinnlose Haut -Kriege, deren Anlaß niemand kennt. Dann greifen die Wachen ein. Aber davon abgesehen ist die Stadt wohl so groß, daß sie einige Mitesser verkraften kann.« Er grinste. »Im übrigen wird es immer Haut-Reiter geben; sie auszumerzen ist ein Ding der Unmöglichkeit. In einem hölzernen Verschlag zu leben ist nämlich nicht jedermanns Sache.« Er ging auf dem Brett in die Knie und beschleunigte. »Das ist auch ein Grund, weshalb ich heute hier draußen bin. Gerade von dir hätte ich Verständnis dafür erwartet, Farr. Haben die Haut-Reiter denn Ähnlichkeit mit deinen Leuten?«
Farr runzelte die Stirn. Vielleicht bestand eine gewisse Ähnlichkeit, sagte er sich. Aber Menschliche
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