Xeelee 4: Flux
Wesen würden nie unter derart erbärmlichen Bedingungen leben wie diese Haut -Reiter.
Und kein Menschliches Wesen würde sich so weit erniedrigen, daß es in Abfällen wühlte.
Bald verschwand die schmutzige kleine Kolonie der Haut-Reiter hinter dem Horizont, und Cris führte Farr weiter über die konturenlose Haut.
Farr erspähte das Mädchen, bevor Cris es sah.
Sie war eine kleine, schlanke Gestalt, die hoch über der Stadt um die Feldlinien wirbelte. Elektronengas funkelte an den Rändern ihres Surfbretts und betonte die Konturen ihres Körpers. Farr sah, daß eine natürliche Eleganz in ihren Bewegungen lag, die sogar Cris’ Talent in den Schatten stellte. Das Mädchen sah sie kommen, winkte ihnen zu und rief etwas, das sie jedoch nicht verstanden.
Sie kamen zu einem anderen Netz, das wie bei den Haut -Reitern über der hölzernen Hülle aufgespannt war. Doch dieses Netz war offensichtlich verlassen: es war zerrissen und ausgefranst und enthielt nichts außer den zwei Hälften eines zerbrochenen Surfbretts, ein paar Kleidungsstücken und einigen primitiven Werkzeugen.
Cris stoppte über dem Netz und hielt sich an einer Schlaufe fest. »Das ist Ray«, sagte er neidisch. »Das Mädchen. So nennt sie sich zumindest… nach den Rochen der Krusten-Wälder.«
Farr blickte zu dem Mädchen hinauf; sie drehte sich spiralförmig um eine Feldlinie, wobei Elektronengas auf ihrer Haut funkelte. »Sie sieht gut aus.«
»Sie ist gut. Zu verdammt gut«, sagte Cris mit einem Anflug von Bitterkeit. »Und sie ist ein Jahr jünger als ich… ich hoffe nur, daß wir uns bei den Spielen nicht ins Gehege kommen.«
»Wie heißt dieser Ort?«
Cris warf das Surfbrett in die Luft und schaute zu, wie es sich überschlug. »Er hat keinen Namen«, sagte er beiläufig. »Es ist nur ein altes Haut -Reiter-Netz in einem Abschnitt der Haut, den kaum jemand besucht. Wir nutzen ihn als Basis. Ein Ort, an dem wir uns zum Surfen treffen und ein paar Werkzeuge für die Bretter lagern.« Nur ein Ort, an dem wir uns zum Surfen treffen… Aus Cris’ Tonfall schloß Farr jedoch, daß der Ort eine viel größere Bedeutung für ihn hatte, als aus den dürren Worten hervorging. Farr beobachtete den Anflug des Mädchens; mit spielerischer Leichtigkeit glitt sie durch das Magfeld auf die Haut zu und wurde dabei langsamer. Er fragte sich, wie es wohl wäre, in die Gruppe aufgenommen zu werden, der Cris und dieses Mädchen Ray angehörten und einen Ort zu haben, der den Blicken ihrer Familien und dem Rest der Stadt entzogen war.
Er vermochte es sich kaum vorzustellen. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er vor dem Störfall, bei dem sein Vater umgekommen war, noch nie von seiner Familie getrennt gewesen war. Ein Ort wie dieser mußte eine große Bedeutung haben.
Er wollte Cris noch weitere Fragen stellen. Wo waren diese Surfer? Was waren das für Leute? Wieviele waren es?… Doch er sagte nichts. Er wollte sich nicht als Hinterwäldler vom Oberlauf bloßstellen – nicht hier, nicht in Gegenwart dieser beiden. Er wollte, daß sie ihn akzeptierten und bei sich aufnahmen – und sei es auch nur für einen Tag.
Wenn er sich mit weiteren Fragen zurückhielt, glaubten sie vielleicht, er wüßte mehr, als es den Anschein hatte.
Das Mädchen, Ray, schlug eine letzte Rolle in der Luft und kam vor ihnen zum Stehen. Mit einem leichten Fußtritt brachte sie das Brett in eine aufrechte Position, fing es mit einer Hand auf und verstaute es im Netz. Dann hakte sie sich neben Cris im Netz ein und lächelte ihn und Farr an. Sie war nackt und hatte das lange Haar zusammengebunden; sie hatte die gleichen gelben Strähnen im Haar wie Cris.
»Bist du heute allein?« fragte Cris.
Schwer atmend zuckte sie die Achseln. »Manchmal ist mir das auch ganz recht. Dann kann ich nämlich richtig trainieren.« Mit interessiertem Gesichtsausdruck drehte sie sich zu Farr um. »Wer ist das?«
Cris grinste und klopfte Farr auf die Schulter. »Sein Name ist Farr. Er wohnt bei uns. Er gehört zu einem Stamm, der als Menschliche Wesen bezeichnet wird.«
»Menschliche Wesen?«
»Oberströmler«, sagte Cris und schaute Farr mit einem Blick, der Bedauern ausdrücken sollte, an.
Das Grinsen des Mädchens wurde noch breiter, und Farr stellte fest, daß sie ihn mit wachsendem Interesse musterte. »Ein Oberströmler? Wirklich? Was hältst du denn von Parz? Ziemlich öde, was?«
Farr suchte nach Worten.
Es gelang ihm nicht, den Blick von dem Mädchen zu wenden. Sie hatte ein
Weitere Kostenlose Bücher