Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
nur schwer zu sehen, aber zwischen den Weizenhalmen leicht zu ertasten. Sie arbeitete sich nach oben vor, zog an den Wurzeln des Setzlings, die im Gewirr der Wurzel-Decke entsprangen, und riß sie heraus.
    Es war eine öde und stumpfsinnige Arbeit, wobei sich jedoch auch Erfolgserlebnisse einstellten: sie genoß es, die Pflanzen zwischen den Fingern zu spüren und das Gelernte, sei es auch noch so banal, in die Praxis umzusetzen. Sie sagte sich, daß sie in einem anderen Leben vielleicht eine gute Farmerin geworden wäre. Ihr gefiel die Ordnung auf der Farm – der Sozialstreß indes weniger –, und die Arbeit war so einfach, daß sie die Gedanken schweifen ließ und an Farr dachte, den Oberlauf und…
    »Sieh dir das an, Dura«, sagte Rauc lachend. »Schau… Wie komisch.«
    Leicht gereizt wegen der Unterbrechung ihres Tagtraums glitt Dura aus dem invertierten Feld. Sie wischte sich den Staub von den Händen. »Was gibt’s?«
    Rauc hing in der Luft und führte langsame Schwimmbewegungen aus. Sie wies nach unten. »Wirf mal einen Blick auf die Feldlinien. Ist dir ein solches Verhalten schon einmal aufgefallen?«
    Feldlinien, die sich merkwürdig verhielten?
    Hektisch schaute Dura nach unten und überflog den Himmel.
    Die Feldlinien schimmerten – vor lauter kleinen Instabilitäten waren die eigentlichen Linien fast nicht mehr zu sehen. Am Rande des Gesichtsfelds erkannte Dura nur noch Wellen, die wie kleine Tiere an den Linien entlangrasten. Und die Linien explodierten nach oben, aus dem Mantel in Richtung der Kruste. In Richtung der Farm. In ihre Richtung.
    Der ganze Himmel war in Aufruhr, und die Wellen rasten parallel auf sie zu.
    Aber da war noch etwas anderes: ein dunkler Schemen in der Ferne, am Rand des Blickfelds, der Linien aus weißblauem Licht über den gelben Horizont zog.
    »Rauc«, sagte sie, »wir müssen verschwinden.«
    Rauc schaute zu ihr auf; das schmale, müde Gesicht unter dem Schleier ließ keinerlei Besorgnis erkennen. »Weshalb? Was ist denn los?«
    Dura riß ihr den Hut vom Kopf und löste ungeduldig die Gurte des Lufttanks. »Gib mir die Hand.«
    »Aber wieso…«
    »Es ist ein Störfall. Und wenn wir nicht verschwinden, werden wir sterben. Gib mir die Hand!«
    Dura öffnete den Mund. Dura sah wohl den Schrecken in ihrem Gesicht, aber noch keine Angst. Nun, dafür würde sie auch noch Zeit genug haben. Sie ergriff Raucs Hand; die durch die harte Arbeit angerauhte Handfläche der Frau war kühl, ein Indiz für Raucs Gelassenheit. Mit beiden Beinen stieß sie sich am Magfeld ab und schwamm nach unten, weg von der Kruste und auf die herannahenden Flußlinien zu. Zuerst hing Rauc reglos in der Luft, doch dann schwamm auch sie los.
    Wenn der Stern von einem Störfall heimgesucht wurde, wurde die stetige, langsame Rotation des Mantels unterbrochen. Die suprafluide Luft versuchte, das überschüssige Drehmoment abzubauen, indem sie die Feldlinien – Quanten-Vektoren – nach außen in Richtung der Kruste drückte. Dadurch wurden die Linien instabil und drohten zu zerreißen…
    Die beiden Frauen tauchten ins Gewirr aus Feldlinien ein. Normalerweise verliefen die Linien in einem Abstand von ungefähr zehn Mannhöhen, so daß man ihnen leicht ausweichen konnte. Doch selbst in der Anfangsphase dieses Spin-Sturms waren die Amplituden schon so groß, daß ein Ausweichen fast nicht mehr möglich war. Funkensprühend zischten die Feldlinien an den Frauen vorbei. Faustgroße Instabilitäten schossen nach oben und kollidierten mit anderen Instabilitäten, verschmolzen miteinander und kollabierten schließlich.
    Rauc wimmerte. Die gräßlichen Bilder des letzten Störfalls, als Esk in den Turbulenzen der Feldlinien implodiert war, jagten sich in Duras Kopf. Sie konzentrierte sich auf die anbrandende Luft, den schalen Geschmack auf den Lippen und das tödliche Funkeln der Feldlinien. Nun ging es nur noch um das Hier und Jetzt – darum, diesen Augenblick zu überleben.
    Die Feldlinien strebten der Kruste zu und bündelten sich im Bestreben, aus dem Stern zu entkommen. Es wurde immer schwieriger, den wie gigantische Klingen heranrasenden Linien auszuweichen, und Dura mußte extreme Ausweichmanöver fliegen. Die Instabilitäten vergrößerten sich auch; fast mannshohe Wellenberge liefen an den Linien entlang, wurden höher und schneller. Es lag eine grausame Ästhetik in der Art und Weise, wie die komplexen Formationen sich mit Energie aus den Feldlinien aufluden und beschleunigten. Die Luft war vom

Weitere Kostenlose Bücher