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Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sein; sicherlich hatte der Himmel an der Position des Lagers der Menschlichen Wesen genauso ausgesehen. Sie griff in den an der Hüfte befestigten Sack. Der Beutel, der bei Antritt der Reise prall mit Brot gefüllt war, hatte sich inzwischen ziemlich geleert. Sie holte eine Handvoll des süßen, magenfüllenden Brots heraus und aß. Sie befand sich höchstens noch einen Zentimeter vom Standort der Menschlichen Wesen entfernt und hätte das Lager eigentlich schon sehen müssen. Es sei denn, sie waren zwischenzeitlich weitergezogen – sofern sie nicht durch den Störfall umgekommen waren, sagte sie sich, und das Herz wurde ihr schwer. Doch selbst in diesem Fall hätte sie die verstreuten Artefakte finden müssen – oder ihre Leichen. Und…
    »Dura! Dura!«
    Die Stimme war von oben gekommen, aus der Richtung des Krusten-Walds. Dura schlug eine Rolle in der Luft und sah nach oben. Es war schwierig, vor dem Hintergrund des diesigen, komplex strukturierten Waldes eine Bewegung auszumachen, doch – dort! Ein Mann, jung, schlank und nackt. Auf den ersten Blick schien er allein zu sein, doch dann erkannte sie einen Begleiter: eine schmale, kleine Gestalt, die um seine Beine wirbelte, während er zu ihr herunterschwamm. Sie kniff die Augen zusammen. Ein Luft-Ferkel? Nein, korrigierte sie sich; es war ein Kind, ein Menschenkind.
    Sie ignorierte die noch immer schmerzenden Beine und raste durch die Luft in Richtung des Walds.
    Schließlich kamen die beiden Erwachsenen in einem Abstand von vielleicht einer Mannhöhe zum Stehen; das Kind, das höchstens ein paar Monate alt war, klammerte sich an die Beine des Mannes, während die Erwachsenen sich musterten. Der Mann – der im Grunde selbst noch ein Kind war –, lächelte zurückhaltend. Er hatte ein hageres Gesicht und gelbe Strähnen im Haar, ein Zeichen vorzeitigen Alterns. Wenn man die durch Hunger und Erschöpfung verursachten, oberflächlichen Veränderungen außer acht ließ, war dieses Gesicht ihr so vertraut wie der eigene Körper, ein Gesicht, daß sie ein halbes Leben lang kannte. Nach den Tausenden von Fremden, denen sie in Parz und später auf der Decken-Farm begegnet war, starrte Dura nun in dieses Gesicht, als ob sie ihre eigene Identität wiedergefunden hätte. Es kam ihr so vor, als ob sie die Menschlichen Wesen nie verlassen hätte, und sie sog diesen vertrauten Anblick in sich ein.
    »Dura? Wir hätten nicht damit gerechnet, dich noch einmal zu sehen.«
    Es war Mur, Dias Ehemann. Und das mußte Jai sein, der Junge, bei dessen Geburt Dura als Hebamme fungiert hatte, kurz nach dem Störfall, bei dem ihr Vater ums Leben gekommen war.
    Sie bewegte sich auf Mur zu und umarmte ihn, wobei sie die Wirbel des Rückgrats unter den Fingern spürte; die Haut war mit glitschigen Resten von Krusten baum-Blättern bedeckt. Das Baby an seinem Bein quengelte, und sie strich ihm mechanisch über den Kopf.
    »Wir hielten dich für tot oder verschollen. Es ist schon so lange her.«
    »Nein.« Dura rang sich ein Lächeln ab. »Ich werde dir alles erzählen. Farr und Adda sind zwar weit entfernt von hier, aber es geht ihnen gut.« Nun unterzog sie Mur einer gründlicheren Musterung, um den ersten Eindruck zu präzisieren. Die Anzeichen des Hungers und der erbärmlichen Lebensbedingungen waren nicht zu übersehen. Sie strich dem kleinen Jungen über den Kopf. Durch den Haarflaum ertastete sie die noch nicht zusammengewachsenen Schädelknochen. Das Kind hatte nun ihren Beutel entdeckt und betastete mit winzigen Fingern das darin enthaltene Brot. Mur wollte das Kind wegziehen, doch Dura holte eine Handvoll Brot heraus, zerkleinerte es und hielt dem Kind die Brösel hin. Jai griff mit beiden Händen nach den Krümeln und stopfte sie sich in den Mund.
    »Was ist das?«
    »Brot. Nahrung… Ich werde dir alles erklären. Mur, was geht hier vor?«
    »Wir sind – weniger geworden.« Er wandte den Blick von ihr ab und sah auf seinen Sohn hinunter. »Der letzte Störfall …«
    »Wo sind die anderen?«
    Inzwischen hatte das Kind das Brot aufgegessen. Ohne ein Wort streckte der Junge Dura die Hände entgegen; anscheinend hatte er immer noch Hunger. Der Brocken, den er verzehrt hatte, beulte den Bauch deutlich aus.
    Mur zog das Kind von Dura weg und beruhigte es. »Komm mit«, sagte er. »Ich bringe dich zu ihnen.«

    Die Menschlichen Wesen hatten am Rand des Krusten-Waldes ein behelfsmäßiges Lager errichtet. Die dünne Luft verursachte Dura Atembeschwerden, und sie sah auf das

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