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Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Quanten-Meer hinunter, das sich weit unter ihr erstreckte. An Seilen, die zwischen den Ästen gespannt waren, hingen Kleidungsstücke, halbfertige Werkzeuge und Lebensmittel. Vorsichtig berührte Dura einen dieser Brocken. Es war Luft schwein-Fleisch und schon so alt, daß es zäh wie Leder war. Aus der Tatsache, daß die Bäume im näheren Umkreis keine Blätter und Rinde mehr hatten, schloß sie auf die Ernährungsgewohnheiten der Leute.
    Es waren nur noch zwanzig Menschliche Wesen übrig – fünfzehn Erwachsene und fünf Kinder.
    Sie drängten sich um Dura, wollten sie berühren und umarmen. Manche weinten. Sie war von bekannten Gesichtern umgeben, die Masken aus Hunger und Schmutz trugen. Sie war diesen Leuten – ihren Leuten – so nah und doch so fern. Sie duldete ihre Berührungen und umarmte die Leute im Gegenzug, doch ein Teil von ihr sträubte sich gegen diese kindlichen Sympathiebekundungen. Sie kam sich steif und zivilisiert vor. Allein die Nacktheit dieser Oberströmler war schon beängstigend. Obendrein fühlte sie sich quasi als Riese unter halbverhungerten Zwergen.
    Ihr wurde bewußt, daß die Erfahrungen und der Aufenthalt in Parz sie geprägt hatten; vielleicht würde sie sich nie mehr mit dem harten Leben eines Menschlichen Wesens zufriedengeben.
    Sie überreichte Mur den Brotbeutel und sagte ihm, er solle den Inhalt nach Gutdünken verteilen. Während er das Brot unter den Menschlichen Wesen verteilte, sah sie, daß jede seiner Bewegungen mit scharfen Augen verfolgt wurde; die Aura des Hungers, die über diesen Leuten lag und sich nun auf den Brotbeutel konzentrierte, hatte Ähnlichkeit mit einem Lebewesen.
    Dann stieß sie auf Philas, die Witwe von Esk. Dura und Philas entfernten sich so weit vom Lager, bis sie außer Hörweite der Menschlichen Wesen waren. Seltsamerweise wirkte Philas nun schöner als zuvor; es war, als ob der Hunger die Symmetrie der Wangenknochen und die natürliche Würde ihrer Gesichtszüge erst richtig zur Geltung brachte. Dura sah keine Spur von der Bitterkeit und Rivalität, die früher zwischen ihnen geherrscht hatte.
    »Ihr habt eine schwere Zeit durchgemacht.«
    Philas zuckte die Achseln. »Wir konnten das Netz nicht mehr reparieren, nachdem du gegangen warst. Aber wir haben dennoch überlebt; wir sind wieder im Wald auf die Jagd gegangen und haben auch ein paar Schweine erwischt. Doch dann kam der zweite Störfall.«
    Die Überlebenden hatten sich aus der freien Luft an den Rand des Waldes zurückgezogen. Dafür gab es zwar keinen plausiblen Grund, aber Dura verstand es trotzdem: das Bedürfnis nach einer festen Grundlage und das Gefühl, von schützenden Wänden umgeben zu sein, war stärker als alle Logik. Sie dachte an die Bewohner von Parz, die in Holzkisten zusammengepfercht waren und deren dünne Wände ihnen die Illusion vermittelte, sie seien vor den Widrigkeiten des nicht einmal einen halben Zentimeters entfernten Mantels sicher. Vielleicht teilten alle Menschen, egal welcher Herkunft, dieselben grundlegenden Instinkte – und vielleicht hatte die Menschheit sich diese Instinkte seit dem Aufbruch vom Stern der Ur-Menschen bewahrt, wie weit er auch entfernt sein mochte.
    Wie weit die Menschlichen Wesen auch zum Jagen ausschwärmten, es gab keine Luft-Schweine mehr. Der letzte Störfall war so heftig gewesen, daß er die Schweineherden zerstreut und die Errungenschaften der Menschheit zerstört hatte. Die Leute ernährten sich nun von Blättern und experimentierten sogar mit dem Fleisch von Spin-Spinnen.
    Von Blättern allein konnte man natürlich nicht leben. Ohne Vollwertnahrung waren die Menschlichen Wesen dem Untergang geweiht. (Und ich auch, wo das Brot nun alle ist, sagte sie sich mit einem ungewohnten Anflug von Selbstsucht.)
    Dura ging in sich und versuchte die Motive zu ergründen, aus denen sie zu ihren Leuten zurückgekehrt war. Nach Raucs Tod und nachdem sie sich an den Aufräumungsarbeiten auf Qos Frenks Farm beteiligt hatte, hatte sie erfahren, daß die meisten Kulis aus ihren Arbeitsverträgen entlassen werden sollten. Qos, dessen pinkfarbenes Haar nun gelbe Ansätze zeigte, hatte händeringend erklärt, daß er wenigstens den Rest der diesjährigen Ernte retten und seinen Besitz dann wieder aufbauen wollte. Es würde noch viele Jahre dauern, bis die Farm wieder die vollen Erträge erbrachte, und bis dahin würde Frenk kein Einkommen daraus erzielen; also konnte er sie nicht länger beschäftigen.
    Die Kulis schienen das verstanden zu haben.

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