Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
und legte sie entschlossen auf den Tisch.
Wieder ging ein Beben durchs Schiff; vor ihrem geistigen Auge erwachte ein Riese, reckte und streckte sich nach einem ausgiebigen Schlaf. Angst durchflutete sie, doch nahm sie die Hände nicht weg und vertraute darauf, dass der Freund irgendwo über ihr schwebte. Der Freund würde sicher nicht zulassen, dass ihr etwas zustieß.
Arke platzte in die Kammer und schaute mit wildem Blick in die Runde. Schweiß glitzerte auf seinem kahlen Schädel. »Erwal! Was machst du mit dem Schiff?«
Sie drehte sich um. »Wovon sprichst du überhaupt?«
Er schwang die Arme wie Windmühlenflügel. »Man sieht es von der Achten Kammer. Das Schiff hat Flügel bekommen! Sie sind gewaltig und schwarz wie die Nacht…«
Erwal hörte ihn kaum, denn ihr Kopf wurde mit einer neuen Traumserie geflutet, als ob der Freund vor Freude schier aus dem Häuschen wäre. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, doch die Visionen blieben. Sie sah die Achte Kammer, nun aber von außen. Sie war ein Kristall vor einem Hintergrund aus Sternen… und das Schiff war nicht mehr an ihrer Seite.
Sie hatte keine Ahnung, was die Vision bedeutete. Immer wieder schoss sie ihr durch den Kopf, als ob sie links und rechts geohrfeigt würde. Entsetzt und verwirrt wie sie war, ließ sie die Vision schließlich… rückwärts… ablaufen.
Sie hörte Schreie und Geplätscher, als Leute in den Pool fielen. Dann kam diese schreckliche Traum-Wahrnehmung des Gleitens…
Mit einem Schrei riss sie die Hände aus den Handschuhen. Sie spürte einen Anflug von Schmerz und Bedauern, als ob sie einen Liebhaber zurückgewiesen hätte. Das Gefühl von Bewegung verschwand.
Sie schaute sich um. Dörfler, die nicht mehr wussten, wie ihnen geschah, klammerten sich weinend aneinander. Die Tür, die zur Achten Kammer geführt hatte, war von selbst zugegangen. In einem der Wand-Paneele sah sie die Achte Kammer… wie in einem Traum war die Kammer kleiner geworden, als ob sie sie aus größerer Entfernung betrachtete.
Ein Muskel in Arkes Wange zuckte. »Erwal, was hast du getan?«
»Ich…« Ihre Kehle war wie ausgedörrt. Sie leckte sich die Lippen und setzte erneut an. »Ich glaube, ich habe das Schiff bewegt. Aber ich weiß nicht, wie.«
Er zeigte auf die Tür. »Wenn sie sich nicht von selbst geschlossen hätte, wäre die Verbindung zur Kammer vielleicht unterbrochen worden.« Er sah sie vorwurfsvoll an. »Was, wenn jemand rausgefallen wäre? Oder wenn die Tür einen von uns eingequetscht hätte, zum Beispiel ein Kind? Es wäre glatt durchtrennt worden.«
Nachdem Erwals Angst wieder abgeflaut war, sagte sie ruhig: »Arke, ich glaube nicht, dass das geschehen wäre. Das Schiff ist einfach nicht so gemacht. Es ist da, um uns zu helfen und zu beschützen.«
Er schaute sie neugierig an und kratzte sich an der Glatze. »Du sprichst von ihm wie von einem Lebewesen.«
»Vielleicht ist es eins.« Sie berührte die Handschuhe und erinnerte sich an die Erregung, die durch ihre Sinne geströmt war.
»Bring uns zurück«, verlangte Arke mit einem kaum kontrollierten Zittern in der Stimme.
Sie schaute zu den Wand-Paneelen auf. Dörfler im Innern der Achten Kammer riefen lautlos dem Schiff hinterher und hämmerten an die Kristallwände. Sie wirkten wie Insekten in einer Schachtel aus Eis, und die Besatzung des Schiffs starrte sie wie betäubt an.
Erwal nickte. »Ja. In Ordnung.« Wieder schlüpfte sie in die Handschuhe, und wieder erzitterte das Schiff, als sei es ein großes Tier, das auf ihre Anleitung wartete.
Sie spürte die nahe Präsenz des Freunds.
Sie schloss die Augen und – stellte sich vor –, dass das Schiff wieder an der Achten Kammer anlegte. Es folgte ein unangenehmes Gleiten durch den Raum, diesmal aber kürzer, und das Schiff kam zum Stillstand.
Sie schaute auf. Die Tür, die den Zugang zur Achten Kammer blockierte, hatte sich aufgelöst. Die Dörfler im Schiff rannten zur Tür und schlossen ihre Kameraden in die Arme, als ob sie um weit mehr getrennt gewesen wären als ein paar hundert Meter und ein paar Minuten.
Danach kehrten alle in die vergleichsweise vertraute Umgebung der Acht Kammern zurück – wobei ein paar Leute die Nächte sogar wieder im Freien verbrachten und sich im Schnee eingruben. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder Zutrauen zum Schiff fassten. Erwal war fürs Erste davon kuriert, das Schiff zu bewegen; wenn sie die Hände jedoch in die Handschuhe steckte, hatte sie das Gefühl, über Damens
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