Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
bedrohlich. Vielleicht war dies eine Welt der Waffen, des Krieges.
Vielleicht war es nur gut, sagte sie sich, dass sie diesen Ort verlassen vorgefunden hatten.
»Erwal.« Sura erhob sich geschmeidig und deutete aufs Bild im Paneel. Eine Anordnung aus grauen Behältern bewegte sich von ihnen weg. »Was ist denn los? Bewegst du das Bild schon wieder?«
Erwal hielt die Hände vors Gesicht. »Wie du siehst, tue ich gar nichts. Sura, ich weiß selbst nicht, was los ist.« Sie schob die Hände in die Handschuhe und veränderte die Bilder in den Paneelen; dabei ließ sie den Blick ums Schiff schweifen und erwartete fast, eine Horde von gigantischen Maschinen-Menschen zu sehen, die am Schiff zerrten…
Dann sah sie etwas.
Ein röhrenartiger transparenter, blau getupfter Vorhang hatte sich ums Schiff gelegt. Die Röhre mit den funkelnden Wänden erhob sich viele Meilen über die Oberfläche der kleinen Welt, und als Erwal aufschaute, sah sie, dass sie sich bis zur zerstörten Sonnen-Welt erstreckte.
Das Schiff stieg in diesem Tunnel auf.
Bald war die Maschinen-Welt zu einer faustgroßen Kugel unter ihnen geschrumpft.
»Erwal! Tu etwas! Bring uns weg von hier! Wenn wir in das Sonnen-Ding stürzen, sind wir verloren!«
Doch Erwal vermochte nur die Fäuste in den Handschuhen zu ballen. »Ich kann nicht«, sagte sie leise und starrte aufs Paneel. »Ich kann nichts tun. Das Schiff reagiert nicht.«
Die Wände des Tunnels rasten so schnell an ihnen vorbei, dass sie verschwammen.
* * *
Paul steckte in einem Container.
Natürlich war es nicht möglich, Paul in einen schlichten physikalischen Raum einzusperren. Dennoch wurden die Wellenfunktions-Weltlinien, die sein Selbst darstellten – und seine Verbindung zu Sol – von den ihn umschließenden unsichtbaren Wänden bis an die Grenze der Bruchfestigkeit gebogen.
Er vermochte sich nicht zu bewegen.
Er war geschockt und verblüfft zugleich. Von all den seltsamen Dingen, die er auf seinen Reisen schon gesehen hatte, stellte das hier zum ersten Mal eine Gefahr für ihn dar. Plötzlich wurde er sich bewusst, dass er sich im Lauf der Zeit selbst den Status eines Gottes zuerkannt hatte, eines unverwundbaren und jedem Zugriff entzogenen Beobachters. Er spürte das überwältigende Bedürfnis, sich in die Höhle eines simplen quasi-menschlichen Selbst-Modells zurückzuziehen… doch wenn er das tat, würde er des Wahnsinns fette Beute werden.
Im Bestreben, Ordnung zu schaffen, stellte er limitierte Sub-Personalitäten ab, um sein Gefängnis zu erkunden. Die ersten Daten gingen ein, und langsam machte er sich ein Bild von seiner Lage.
Er war in der Kernzone einer Strahlung mit einer extrem hohen Frequenz gefangen. Die Zone war eine nur wenige Fuß durchmessende Sphäre; angesichts der nonlinearen Effekte, die Energie kaskadenförmig auf immer niedrigere Frequenzen zwangen, musste die Sphäre wie ein Juwel glühen. Einzelne Photonen jagten wie Vögel durch den Kern. Ihre Wellenlänge war hundert Milliarden mal kleiner als ein Elektronen-Radius; die geringe Wellenlänge implizierte eine gewaltige Energie, so dass die Photonen durchschlagkräftige ›Kugeln‹ aus Energie/Masse waren… so schwer, dass sie fast schon Schwarze Löcher waren. Und es war dieser Effekt, der ihn band. Schwarze Löcher kappten die Weltlinien, aus denen er zusammengesetzt war; es war damit zu vergleichen, als ob ein körperlicher Mensch in einem Netz aus einer Milliarde brennender Fäden gefangen wäre.
Aus diesem Käfig gab es kein Entrinnen. Das Qax hatte ihn gefangen.
Es stellte sich nur die eine Frage: Wieso?
Er hatte sich wieder gefangen und rekonfigurierte die auf den Wellenfunktions-Komponenten aufgereihten Daten, so dass die von der Frage repräsentierten Auslassungen klar und deutlich waren.
Er wartete. Zeit spielte keine Rolle für ihn.
… Das Qax kehrte zurück.
Paul stellte eilig einen Satz multipler Aufmerksamkeits-Brennpunkte zusammen. Der Hagel der Singularitäten-Strahlung schien nun kohärenter, und die Frequenzen, Phasen und Pfade der starken Quanten wurden beim Durchgang durch sein Selbst systematisch modifiziert. Er erkannte, dass er verhört wurde: Jedes Photon entriss ihm ein paar Datenbits, die ohne Zweifel vom Kerkermeister ausgewertet wurden. Es war ein Daten-Dump; er wurde ausgelesen wie ein primitives Speichergerät.
Er verspürte keinen Zorn und versuchte auch nicht, sich zu widersetzen. Was hätte das für einen Zweck gehabt? Sein Wärter musste schon von der Schar
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