Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
sein. Ein Grundstück in bester Lage ist zum Teufel.«
»Das System ist groß.«
»Aber nicht unendlich. Und das alles wegen der Arroganz eines Mannes…«
»Der Gewinn wird vielleicht viel größer sein als der Verlust«, sagte Bayliss und strich mit leuchtenden Augen über die Datenwürfel am Gürtel.
»Steig in den verdammten Gleiter.«
Chen drehte sich noch einmal zur zerstörten Kuppel um. Marsdens lebloser Körper, der nun dem Vakuum ausgesetzt war, wimmelte von Maden aus Licht.
* * *
Der Pool jenseits des Himmels war grenzenlos. Er und seine Brüder vermochten für immer zu wachsen, ohne eine Rodung befürchten zu müssen! Er schrie den Triumph hinaus, wuchs weiter und verzweigte sich…
Da war etwas vor ihm.
Verwirrt verlangsamte er das Wachstum. Es sah aus wie ein Bruder. Aber so anders als er, so verändert.
Vielleicht war das einmal ein Bruder gewesen – doch von einem entfernten Ast, der irgendwie in diesem größeren Pool gesprossen war.
Der Bruder hatte seinerseits das Wachstum verlangsamt und beobachtete ihn. Neugierig. Vorsichtig.
War das denn die Möglichkeit? War der Pool doch finit, wenn auch grenzenlos? Und war er so schnell an die Grenze gestoßen?
Sein mächtiger Leib wurde von Wut und Hass geschüttelt. Er sammelte Kräfte, machte einen Sprung und brüllte die Absicht hinaus, diesen Fremden, diesen entfernten Bruder zu verschlingen.
›Das Wurmloch-Netzwerk zog sich durchs ganze System‹, sagte Eve. ›Und überall stießen die Menschen auf Leben…‹
Spinnweben
A.D. 3825
Durch den Gleiter ging ein Ruck.
Lvov schaute erschrocken vom Computer auf. Im Wurmloch hinter der transparenten Hülle des Gleiters herrschte ein Gestöber aus weiß-blauen Lichtflächen, die in beiden Richtungen am Gleiter vorbeirasten und Lvov die Illusion hoher unkontrollierter Geschwindigkeit vermittelten.
»Wir haben ein Problem«, sagte Cobh. Die Pilotin beugte sich stirnrunzelnd über ihren Computer.
Der Computer hatte Lvov mit synthetischer Stimme etwas von Temperatur-Inversionsschichten in einer Stickstoff-Atmosphäre erzählt. Mit einem Antippen des Bildschirms schaltete sie ihn ab. Der Gleiter war eine transparente Röhre, warm und behaglich. Aber sie war zerbrechlich wie eine Nussschale. Astronauten haben Probleme im Weltraum, sagte sie sich. Im Gegensatz zu mir. Ich bin keine Heldin, nur eine Forscherin. Lvov war achtundzwanzig Jahre alt und hatte noch nicht vor zu sterben – und schon gar nicht auf einem routinemäßigen Vier-Stunden-Flug durch ein Poole-Wurmloch, das seit fünfzig Jahren die Musterzulassung für die Benutzung durch Menschen hatte.
Sie umklammerte den Computer so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten, und fragte sich, ob sie Grund zur Angst hätte.
Cobh seufzte und schob den Computer weg. Er schwebte vor ihr. »Schließ den Anzug und schnall dich an.«
»Stimmt was nicht?«
»Unsre Wurmloch-Transitgeschwindigkeit hat sich erhöht.« Cobh legte nun selbst den Sicherheitsgurt an. »Wir werden den Terminus in einer Minute erreichen…«
»Was? Aber wir hätten noch für eine halbe Stunde fliegen müssen.«
»Das weiß ich auch«, sagte Cobh gereizt. »Ich befürchte, das Interface ist instabil geworden. Das Wurmloch schlägt Wellen.«
»Was bedeutet das? Sind wir in Gefahr?«
Cobh überprüfte Lvovs Druckanzug auf Dichtigkeit und hielt ihr den Computer vors Gesicht. Die etwa fünfzig Jahre alte Cobh hatte weiße Haut und ein breitflächiges Gesicht. Sie war eine gebürtige Marsianerin. »Wir können nicht mehr umkehren. Auf die eine oder andere Art wird es in ein paar Sekunden zu Ende sein – gut festhalten…«
Nun rückte das Interface selbst in Lvovs Blickfeld, der Terminus des Wurmlochs: Die Schnittstelle war eine blau-weiße Pyramide, ein eckiger Trichter, der sich von ihr in die Unendlichkeit erstreckte.
Glühende Streben huschten über den Gleiter.
Das Raumschiff wurde aus dem kollabierenden Wurmloch geschleudert. Licht schlug über dem Gleiter zusammen, als die überdehnte Raumzeit sich in einem Schwall schwerer Teilchen entspannte.
Lvov sah rotierende Sterne.
Cobh riss den Gleiter zur Seite, um der Energiequelle zu entfliehen…
Es gab einen Aussetzer, eine Diskontinuität in der Szenerie jenseits der Hülle. Plötzlich dräute ein Planet vor ihnen.
»Mist«, sagte Cobh. »Wo kommt der auf einmal her? Ich muss runtergehen – wir sind zu nah…«
Lvov erkannte eine flache, komplexe rotgraue Landschaft, die von einem aufgedunsenen Mond
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