Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten
Kinder mit ganz unterschiedlichen Begabungen und mit völlig verschiedenen Vorbildungen befinden sich plötzlich bunt zusammengewürfelt in einer Klasse. Einige Kinder können schon ein bisschen schreiben und ganz leidlich lesen, weil Eltern oder Kindergärten sie darauf vorbereitet haben; andere haben noch nie einen Buchstaben gesehen. Manche Kinder vermögen bereits mit kleinen Zahlen umzugehen, anderen bedeutet Rechnen noch gar nichts. Während gewisse Eltern in der Lage waren, die naturwissenschaftliche Neugier ihrer Kinder zu befriedigen, konnten oder wollten das andere Eltern nicht, vermittelten aber vielleicht musikalisches, philosophisches oder religiöses Wissen. Verschiedene Kinder sind durch verschiedenen Fernsehkonsum vorgeprägt, sind mit oder ohne sportliche Betätigung aufgewachsen usw.
So sitzt jetzt also eine Gruppe von Kindern in der ersten Klasse, bereit und willig, Wissen begierig aufzusaugen. Kaum eine Unterrichtsstunde (wenn man von Spielen absieht) ist aber dann leider für mehr als vielleicht ein Drittel der Kinder interessant. Alle, die schon ein bisschen lesen können, sind notgedrungen gelangweilt, wenn stundenlang die ersten Gehversuche im Lesen geübt werden; und in keinem anderen Fach ist es viel besser. Sehr bald lernen daher die meisten Kinder, dass die Schule immer wieder langweilig ist; und dies gilt nicht nur für die insgesamt »sehr guten« Schüler, sondern für alle, die in irgendeinem Gebiet weiter sind als der Durchschnitt und das sind die meisten!
Die Situation ändert sich auch in höheren Klassen nicht wesentlich. Interesse und Fähigkeiten verschiedener Schüler liegen in verschiedenen Bereichen so weit auseinander, dass in einer unstrukturierten Gruppe Leerläufe für viele Schüler an der Tagesordnung sind, der angeborene Entdeckungs- und Forschungsdrang, die herrliche Neugier in den Kindern systematisch gedämpft und ausgetrieben werden. Ohne dass die Kinder, Eltern und Lehrer es so richtig merken, passen sich die Kinder dem System an, retten nur die wenigsten ihre Neugier und ihren Wissensdurst durch all die Schuljahre, lernen die Schüler in vielleicht zwölf Jahren das, was sie in Wirklichkeit nach vier Jahren beherrschen könnten.
So dramatisch obige Schilderung klingt, ich halte sie nicht für übertrieben. Ich bin überzeugt, dass wir das in Wahrheit riesige Lernvermögen und die große Lernbereitschaft von Kindern schändlich bruchstückhaft unterstützen. Kinder, die durch mehrere Übersiedlungen mit zwölf Jahren drei Sprachen fließend sprechen, sind keine Ausnahmetalente, sondern das Lernen von drei Sprachen ergab sich aus der Umgebung; Spitzenleistungen in Sport, Musik, Schach, Mathematik usw. werden immer wieder von Kindern zusätzlich zur Schule erbracht, wenn sie entsprechend gefördert werden, ohne dass die Kinder deshalb Genies auf diesen Gebieten von der Veranlagung her sein müssen (obwohl angeborene Begabungen naturgemäß auch eine Rolle spielen). Um die beschriebenen Probleme zu vermeiden, gibt es offenbar nur einen Weg: eine sehr viel individuellere Gestaltung des Unterrichts.
Mehrere potenzielle Möglichkeiten bieten sich dafür an. Die eine besteht in der Verringerung der Größe der Schulklassen. Aus Gründen, die ich im Beitrag 3.3: »Brauchen wir kleinere Schulklassen?« erläutert habe, halte ich dies nicht unbedingt für den richtigen Weg. Ich glaube, es bleibt nur die Möglichkeit, Schüler in den verschiedenen Gegenständen nach ihren Interessen und Leistungen in entsprechende Gruppen zusammenzufassen.
Größere Schulen bieten hier vermutlich flexiblere Möglichkeiten, neue Unterrichtstechnologien, richtig eingesetzt (leider selten der Fall! Siehe dazu ( www.jucs.org/jucs_9_10) und Lösungen mit Hyperwave ( www.hyperwave.de) können massive helfen: durch Gruppenbildung gelingt es z.B. Teile der Schüler mit Lesen zu beschäftigen, während andere Rechnen üben, während wieder andere an Projekten mit ihren Computeren arbeiten. Wenn Lehrer in seinerzeitigen »einklassigen Grundschulen« in der Lage waren, Kinder zwischen sechs und zehn Jahren gleichzeitig und doch individuell einigermaßen zu unterrichten, muss das heute bei Kindern eines bestimmten Jahrganges mit der Unterstützung neuer Unterrichtstechnologien erst recht auch möglich sein!
3.5 Was wird in Zukunft in Schulen unterrichtet?
Der nachstehende Beitrag wurde in der »Furche« vom 17.01.1991 unter dem Titel »Fitnesstraining fürs Gehirn« abgedruckt.
Im Laufe der
Weitere Kostenlose Bücher