Xperten - Der Paradoppelgänger
ich mich gut verstehe, das Empfinden, in der Vergangenheit, ja vielleicht sogar an einer anderen Stelle zu sein und dass dann diese Umgebung durchwandert, angesehen, erforscht werden kann.«
»Eine Art Zeitreise?«, fragt Marcus überrascht.
»Nein«, antwortet Aroha, »ich glaube mehr eine Suggestion für mich und meine Partner, die aber hundert Prozent real wirkt. So, als hätte der Mindcaller vielleicht die Gegend in der Zeit, die er zeigt, einmal erlebt und gespeichert und gibt sie jetzt wieder. Das Ungewöhnliche ist, dass es sehr spontan geschieht, ich kann nicht kontrollieren, wann der Mindcaller aktiv wird.«
Maria meint nachdenklich: »Vielleicht liegt das daran, dass die zweite Hälfte fehlt?« Ahora blickt erstaunt: Daran hat sie noch nie gedacht.
Sie sprechen viel über den Mindcaller, aber auch über andere ungewöhnliche und parapsychologische Phänomene, offen wie sonst nie. Maria und Marcus erwähnen, dass alle in der Familie gewisse ungewöhnliche Fähigkeiten haben, ohne aber Details zu erläutern. Aroha hört gespannt und aufmerksam zu, stellt manchmal Verständnisfragen, aber versucht nicht mehr zu erfahren, als ihr freiwillig gesagt wird. Sie weiß, sie wird noch öfter bei dieser Gruppe sein und sie wird allmählich immer mehr eingeweiht werden. Sie ist interessiert, aber nicht neugierig und weiß von sich aus, wie zurückhaltend man bei solchen Dingen anderen Menschen gegenüber ist, ja sein muss. Als sie sich abtrocknet, bittet Lena, den Mindcaller in die Hand nehmen zu dürfen. Aroha hebt die Kette mit dem Anhänger über ihren Kopf. Ihre festen Brustspitzen schauen dabei besonders verführerisch aus, denken Maria und Marcus fast gleichzeitig und lächeln sich an. Aroha hängt die Kette Lena um. Lenas Gesichtsausdruck ändert sich auf einmal unerwartet: Das junge Gesicht wird plötzlich ernst, faltig, und einen Augenblick lang sieht es aus wie das einer ganz alten Frau. Aroha ergreift mit Entsetzen die Kette, ist aber so aufgeregt, dass sie ihr entgleitet und auf den steinigen Boden fällt. Lena schaut ohne Kette augenblicklich aus wie immer.
»Lena, hast du etwas besonderes bemerkt, als du die Kette umhattest?«, fragt Maria besorgt.
»Mama, dieser Anhänger ist etwas Komisches: Ich habe plötzlich eine alte Frau gesehen und sie fragte mich nach ihrer Enkelin.«
Aroha schaut mit Verwunderung auf Lena: »Du hast meine Großmutter gesehen, ja du bist einen Augenblick lang meine Großmutter geworden. Das Gesicht, das ihr alle kurz gesehen habt«, wendet sie sich zu den anderen, »war das Gesicht meiner Großmutter.« Aroha hebt den »Mindcaller« auf. Da bemerkt sie, dass ein kleines Stückchen abgesplittert ist.
Sie zeigt die Bruchstelle Marcus: »Ich würde gerne das kleine Stückchen finden«, meint Aroha. Sie suchen sehr sorgfältig, finden aber nichts. Aroha meint schließlich, es habe sich am »Gefühl« des Mindcallers nichts geändert, also sei das winzige Stückchen nicht so wichtig.
Während sie sich nach einem kurzen kalten Sprung ins Meer und dann nach einer heißen Dusche zum Wiederaufwärmen im Wintergarten auf einen Kaffee zusammensetzen, verschwindet Stephan. Einige Minuten später kommt er mit dem verschwundenen Bruchstück des »Mindcallers« zurück.
»Wo war das? Wie hast du das gefunden? Wir haben doch alles genau abgesucht.«
»Es ist an einer Stelle gelegen, wo kein normaler Mensch es hätte finden können«, meint Stephan ein bisschen stolz.
Auf den fragenden Blick von Aroha erklärt Marcus: »Ja, Stephan hat sehr, sehr ungewöhnliche Augen.« Marcus erklärt nicht mehr, schaut aber Stephan so an, dass dieser weiß, er dürfte mehr sagen. Aber auch er hält sein Geheimnis zurück, dass er um Gegenstände herumsehen kann und seine Augen (wie bei seiner Mutter) eine Art Zoom-Funktion besitzen, die von »Weitwinkel« bis zum extremen »Tele« reicht.
Stephan will das Stückchen Stein Aroha zurückgeben. Da mischt sich Marcus ein.
»Aroha, kann ich das kleine Stückchen haben? Ich möchte es gerne von unserer Forschungsgruppe untersuchen lassen.«
Aroha zögert: Darf man ein solches fast »heiliges« Stück aus den alten Zeiten mit modernen Methoden untersuchen oder wird man damit etwas zerstören? Sie lauscht tief in sich hinein, aber hört keine Warnung. Sie stimmt zu.
Als sie sich am Abend trennen, ist klar, dass Aroha zu ihnen gehört. »Aroha, du weißt, du bist ab jetzt hier Hausgast, als wärest du meine Schwester«, sagt Maria, »du kannst jederzeit
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