Xperten - Der Paradoppelgänger
hierher kommen, hier wohnen, gleichgültig, ob wir hier sind oder nicht. Und du wirst immer gerne gesehen sein.«
Aroha bedankt sich gerührt und verabschiedet sich liebevoll. Es ist seltsam: Auch sie weiß, dass sie heute neue Freunde gefunden hat, dass ihre intuitive Bindung zu Marcus immer richtig war, seit heute noch tiefer und deutlicher ist und für die ganze Familie gilt.
Maria und Marcus diskutieren am Abend noch lange, warum sie Aroha so frei, so ohne Zurückhaltung behandelt haben. Aber sie wissen, es war nicht falsch. Sie denken auch über die Bemerkungen von Lena nach: dass Aroha ohne Mindcaller nur ganz schwach strahlt, der »Mindcaller«, wenn Aroha ihn trägt, aber sehr intensiv. Als er jedoch am Boden lag, »strahlte« er nicht. Es ist klar, dass hier eine eigentümliche Symbiose zwischen dem Anhänger und Aroha besteht und dies wohl auch bei manchen anderen Menschen gilt, wie die Reaktion Lenas zeigte, als sie ihn kurz umhatte. Marcus ist sehr gespannt, ob seine Forschungsabteilung in der SR-Inc. etwas Besonderes bei dem Bruchstück des »Mindcallers« entdecken wird.
Der Zufall will es, dass drei Tage später zwei ungewöhnliche Berichte gleichzeitig bei Marcus einlangen: Der erste betrifft den »Mindcaller«, der zweite Barry.
Der Mindcaller ist in seiner Grundsubstanz ein Halbedelstein 3 , der in vulkanischen Gegenden meist aus großer Tiefe stammt. Er ist mit großer Sicherheit bei einem der zahlreichen Vulkanausbrüche, die es in Neuseeland immer gegeben hat und noch immer gibt, an die Oberfläche gelangt und wurde schon vor tausenden Jahren (also vor der Maoribesiedlung Neuseelands) zu einem Anhänger verarbeitet. Das Unerwartete ist die chemische Analyse. Der »Mindcaller« enthält nämlich einen hohen Anteil der seltenen Verbindung Silatraviat. Es handelt sich dabei um ein wenig erforschtes Salz der Silatravinsäure.
Marcus liest den mit Fachausdrücken gespickten Bericht weiter: Die Silbe »Sila« gibt Fachleuten den Hinweis, dass im Travin Kohlenstoff-Atome durch Silizium-Atome ersetzt sind. Das Silatraviat ist eine Abart der Silatrane, aber auch mit Travertinen verwandt. Bei den Silatranen handelt es sich um eine unsystematische Bezeichnung für Derivate des 2,8,9-Trioxa-5-aza-1-silabicyclo[3,3,3] undecans, die eine große Breite toxischer Eigenschaften in Abhängigkeit vom Substituten am Silizium besitzen. Aryl-Derivate (R1 = Aryl) besitzen eine LD50 von 0,1-10 mg.kg-1 und sind doppelt so giftig wie Strychnin oder Blausäure. 4-Chlorphenyl-Silatran wird als Rattengift, das nicht giftige Ethoxy-Silatran als Haarwuchsmittel verwendet. Silatrane können aus Trialkoxysilanen und Triethanolamin hergestellt werden. Die genauen Eigenschaften vieler Abarten sind bis heute nicht erforscht. Travertin (manchmal auch Kalktuff genannt) wird meist aus kalten Quellen ausgeschieden und bei Füchtbauer als »Sinterkalk« bezeichnet. Synonym wird oft die Bezeichnung Travertin gebraucht: Dieser entsteht jedoch in warmen Quellen, Seen, Teichen und Sümpfen aus vulkanisch aufgeheizten Grundwasser-Zuflüssen.
3 Er ist ein Obsidion (Feuerkiesel) mit einigen»Verunreinigungen«.
Es folgen ausführliche Literaturangaben - [12], [13] - und ein allgemein verständlicher Teil, dessen wesentliche Aussage ist: Silatraviat ist selten und bisher kaum erforscht; es ist zu vermuten, dass es bei Menschen ungewöhnliche Wirkungen auslösen kann; es tritt nur dort auf, wo es durch Vulkanausbrüche oder heiße Quellen aus großer Tiefe an die Erdoberfläche gelangt; es ist von organischen Lebewesen schwer abbaubar; es wird von manchen Lebewesen nicht aufgenommen und sofort wieder ausgeschieden, andere reichern es immer mehr in sich an.
Der Bericht schließt mit der trockenen Frage, ob weitere Forschungen erwünscht sind ...
Marcus legt den Bericht Maria vor. Sie schauen sich lange an. »Wir denken beide dasselbe«, sagt schließlich Maria. »Das Silatraviat mag vielleicht wirklich etwas mit den ungewöhnlichen Fähigkeiten des Mindcallers zu tun haben, vielleicht sogar mit anderen (unseren?) Para-Fähigkeiten. Hier sollte unbedingt weiter geforscht werden.«
Marcus nickt. Er gibt ohne zu zögern telefonisch den Auftrag, die Silatraviatforschung intensiv fortzusetzen. Dabei sind fünf Schwerpunkte zu setzen: (1) Wo auf der Welt tritt Silatraviat auf? (2) Welche Tiere oder Pflanzen reichern in sich Silatraviat an? (3) Kann man Silatraviat synthetisch herstellen? (4) Welche Wirkungen hat Silatraviat auf Menschen?
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