Xperten - Der Paradoppelgänger
übergibt, dann gibt es noch ein herzliches »Danke« und eine Verabschiedung mit netten Wünschen. Nur wenn man zu wenig Geld hat oder sich gar wehrt, dann verlaufen solche Szenen weniger angenehm.
In einem Restaurant in Ipanema, wo er die erste richtige Feijoada nach langer Zeit isst, lädt er an seinen Tisch zwei deutsche Touristinnen ein, die leidlich Englisch reden und sichtlich erfreut sind, eine interessante Entdeckung gemacht zu haben. Sie sind eher enttäuscht, als sie erfahren, dass Barry am Abend schon vergeben ist und sich auch den nächsten Abend freihält; er weiß, dass die Stewardess Viktoria zwei Tage in Rio ist. Als sie sich trennen und die Mädchen darauf bestehen, trotz Schmuck und teurer Fotoausrüstung zum Hotel zurückzugehen, ist Barry besorgt. Er fühlt sich ein wenig für die beiden verantwortlich. Er beeilt sich in sein Hotel zu kommen, hängt das Schild »Bitte nicht stören« an die Tür und legt sich aufs Bett. Er weiß, wohin Grete und Hannelore gehen. So kann er seinen Doppelgänger (noch immer amüsiert ihn dieser Ausdruck) aktivieren, der die beiden Mädchen verfolgt. Tatsächlich werden die beiden Deutschen in einer stilleren Straße von drei jungen Männern »freundlich« angesprochen. Aber Barry, so scheint es für die Touristinnen, steht auf einmal wie aus dem Boden gewachsen hinter den drei Männern, räuspert sich und sagt in leidlichem Portugiesisch:
»Diese beiden hier nicht.«
Den drei Männern, die niemand in der Nähe gesehen hatten, ist das urplötzliche Auftauchen eines Mannes so unheimlich, dass sie sich schnell zurückziehen. Grete und Hannelore steckt noch der Schreck in den Gliedern. Sie sind überschwänglich dankbar, aber auch verwirrt, wo Barry so unvermittelt herkam.
»Ich hatte Angst um euch ... ich habe euch ja gewarnt. Dies ist eine Stadt, wo man Geld und Gold nicht ungeschützt zeigt und wo man in der Nacht bei Kreuzungen nicht einmal bei Rot stehen bleibt, denn zu leicht kann man dann überfallen werden.«
Er bringt die beiden die verbleibende Strecke ins Hotel, aber besteht zuerst darauf, dass er ihnen alle sichtbaren Schmuckstücke abnimmt und in ihre Handtäschchen legt. Er lässt sich das Vergnügen nicht entgehen, den Anhänger, den die hübsche Hannelore tief in ihrem Ausschnitt trägt, selbst abzunehmen. Er berührt dabei ihren Busen und die eine Brustspitze vorsätzlich, merkt mit Amüsement das Zusammenzucken, den Blick, den sie ihm zuwirft, und dass sie nichts dagegen hat, dass er mehr herumfummelt, als notwendig ist.
»Wenn Viktoria nicht wäre, dann ...«, denkt Barry. Sie verabschieden sich mit einem recht vertrauten Kuss. Beide geben Barry ihre Adresse in Deutschland mit der Aufforderung, sie doch einmal zu besuchen.
Als Barry alleine ist, schaut er lange die beiden Adressen an. Er ist im Begriff sie wegzuwerfen, doch dann reißt er den Zettel in die Hälfte und bewahrt Hannelores Adresse auf.
Die Stewardess Viktoria verdient ihren Namen. Als sie zusammen auf der Dachterrasse des Restaurants Othon Palace im strandnächsten Hochhaus an der Copacabana sitzen, die Stadt sich allmählich in ein Lichtermeer verwandelt, die beleuchtete Bergstation des Pao de Azucar wie ein Stern am Himmel steht und nur der Corcovado, der große Christus, durch einen größeren hellen Fleck angedeutet ist, die Tische und Menschen im Lokal in das milde Licht von Sturmkerzen getaucht sind, der Abendwind die Löwenmähne der blonden Haare Viktorias bewegt, ohne die einfach-kunstvolle Frisur zerstören zu können, da ist Barry froh, dass er noch einige Zeit auf sein eigenes Aussehen verwendet hat. Sein weißes Smokingjackett über einem Seidenhemd und das weinrote Tuch anstelle eines Mascherls, dazu eine Smokinghose und sein hochgehobenes selbstbewusstes Gesicht passen zu der einfach-stolzen Haltung Viktorias.
»Wie schafft sie diese Kombination?«, rätselt Barry im Stillen. Viktoria trägt ein langes schwarzes Abendkleid, das ihre schlanke Figur betont und die makellosen gebräunten Schultern bis zum Ansatz ihrer Brust freilässt. Ihre Schuhe sind einfach »frech«, empfindet Barry. Hochhackige Stöckelschuhe, aber auf den Seiten mit Löchern, wie er das noch nie gesehen hat. Viktoria weiß auch, wie man sich schminkt: Als Flugbegleiterin war sie auf »Stewardess professional« hergerichtet und sah gut aus, heute ist sie »verführerisch«, und in beiden Fällen wirkt sie immer natürlich. Der Abend wird für beide ein Genuss. Je mehr sie über sich,
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