Xperten - Der Paradoppelgänger
Vorlieben, Probleme, Erziehung, Ziele reden, umso mehr rücken sie (wörtlich und im übertragenen Sinn) zusammen. Barry, der nach fünfzig Frauen den Überblick über seine Affären verloren hat, ist sich bewusst, dass hier etwas entstehen kann, das er gar nicht WILL. Er kann es sich nicht leisten, einem normalen Menschen zu nahe zu kommen: Da steht sein »Doppelgänger« im Weg! Aber irgendwas geschieht an dem Abend, ihre Hände berühren sich wie ihre Worte. Schließlich versinkt auch die ungewöhnliche Umgebung angesichts des starken Gefühls der Zusammengehörigkeit, das sich entwickelt. Viktoria und Barry merken gar nicht mehr, dass alle im Restaurant, Bedienung und Gäste, sie immer wieder verstohlen ansehen, bewundern und beneiden.
»Willst du mich denn nicht wenigstens vorstellen, wenn du schon nicht merkst, dass dein bester Freund in Rio am selben Abend im selben Restaurant sitzt?«, sagt auf einmal eine bekannte Stimme neben Barry. Er blickt verwirrt auf: Da steht João! Barry ist einen Moment sprachlos bevor er aufspringt, in die offenen Arme seines Freundes João fällt und dann dessen Frau Angela herzlich umarmt.
»Kommt, setzt euch zu uns her«, schlägt Barry vor.
»Nein, heute nicht. Ihr sitzt gut zu zweit, wie ihr sitzt«, antwortet João, »wir sind auch im Begriff zu gehen. Aber du musst viel tun, dass ich dir verzeihe, dass du dich nicht sofort bei mir gemeldet hast, als du nach Rio gekommen bist ... Wie lange bist du eigentlich schon hier? Wir erwarten euch beide jedenfalls morgen Abend bei uns um 20.00 Uhr. Da gilt keine Entschuldigung!«
Barry wirft einen Blick auf Viktoria. Sie schaut ihn nur neugierig an.
»Wir kommen beide gerne. Und, João, ich bin erst seit gestern hier. Viktoria ist nur zwei Tage in Rio ... Also wollte ich dich erst nachher anrufen.«
João lacht. »Ich finde es zwar nicht nett, dass du uns Viktoria« - er verneigt sich - »vorenthalten wolltest, aber ich glaube, wir können es verstehen, wenn ihr nur zwei Tage habt, oder, Angela? Trotzdem, auch wenn wir euch den zweiten Abend verderben, ihr müsst morgen zu uns kommen.«
Als sie wieder alleine sind, erzählt Barry über João. Er ist einer der großen Kunsthändler und Kunstsammler Brasiliens, den er über einen Freund, João Portinari (den Sohn des berühmtesten brasilianischen Künstlers des 20. Jahrhunderts), kennen lernte.
Viktoria ist nach diesem Abend noch verwirrter als Barry. Ja, er war ein sympathischer und interessanter Passagier und sie hatte sich auch schon früher manchmal in solchen Fällen (ohne jede Konsequenzen) ausführen lassen. Die Lay-Overs von zwei Tagen waren oft todlangweilig, die Stadt kannte man schon und für ein richtige Kennenlernen der Umgebung und der Menschen war doch nie Zeit. Dazu kam, dass Personen aus anderen Branchen Stewardessen immer mit einer eigentümlichen Mischung von Verehrung und Schüchternheit (»Hat ja einen Freund in jeder Stadt«) begegneten. Also verbrachte man üblicherweise die Zeit mit Kollegen von Fluglinien. Das war okay, aber meist nicht aufregend. Und da ist Barry, mit dem sie sich so gut versteht, der nicht vor ihr, sondern eher sie vor ihm »Respekt« hatte und der gerade so nonchalant, als wäre es selbstverständlich, erwähnt, dass es nun wohl Zeit wäre, in sein Hotel zu fahren. Eine Ablehnung steht gar nicht zur Debatte.
Die Suite im Barrys Hotel gefällt Viktoria. Es ist alles ganz einfach und unkompliziert, das weitere Reden und weitere Kennenlernen, »safe Sex« und ein »Sich-gerne-Haben«, ein genüssliches Schmusen, keine Extratouren oder Akrobatikeinlagen. Und da sie (auch wegen der Kollegen, sie schämte sich fast dafür) im eigenen Hotel aufwachen will, bringt sie Barry noch im Taxi dorthin. Er besteht darauf mitzufahren, um »sicher zu sein, dass nichts passiert«.
Viktoria hat keine Ahnung, was Barry für den nächsten Tag geplant hat. Sie weiß nur, dass er um 9 Uhr bei ihr sein wird und dass sie gute Wanderschuhe, aber auch Badezeug mitnehmen soll.
»Was für eine Kombination!«, wundert sich Viktoria.
Am nächsten Tag geht es nach Petrópolis. Diese Stadt wurde 1845 von deutschen und schweizerischen Einwanderern gegründet und nach dem brasilianischen Kaiser Peter II., der sich hier eine Sommerresidenz errichten ließ, Petrópolis benannt. Da sie über 800 m hoch liegt, ist es im Sommer deutlich kühler als in Rio. Petrópolis ist über eine Autobahn leicht erreichbar.
Die Fahrt im Mietwagen von Rio über eine gewundene Autobahn
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