Xperten - Der Paradoppelgänger

Struktur von Raglan einfach ist. Es gibt neben den dauernd bewohnten Häusern ein Hotel, drei Motels und zirka 80 Ferienhäuschen, die alle am Strand südlich von Raglan liegen. Marcus ist ziemlich sicher, dass die permanent bewohnten Häuser weniger in Frage kommen.
    Das Hotel und die Motels sind Fehlanzeige. Nun fahren sie langsam die Küstenstraße aus Raglan hinaus nach Süden. Maria schaut mit ihrer Begabung in jedes Haus, Monika versucht zu erkennen, ob sie etwas orten kann. Doch hier versagt ihre Fähigkeit.
    »Wir sind ganz nahe, das ist sicher, aber mehr spüre ich nicht.«
    Der Optimismus von Marcus beginnt zu schwinden, als sie Ferienhaus nach Ferienhaus erfolglos von ihrer Liste streichen. Beim fünftletzten, fast auch am Ende ihrer Hoffnung, sind sie aber am Ziel. Maria sieht den entführten Bub im Wohnzimmer, bewacht von zwei Männern.
    »Hier sind sie. Und es gibt einige leere Räume.«
    Sie skizziert für Barry die Lage der Räume. Barry setzt seine Kommunikationsbrille 2 auf und materialisiert im Keller des Hauses. Dort rumort er so lange herum, bis ihm Maria mitteilt:
    »Die beiden Kerle werden nervös. Einer wird jetzt in den Keller gehen. Wenn du in die Küche springst, dann sieht dich der zweite nicht, du kannst ihn aber überraschen, indem du ihn ansprichst. Wenn er sich zu dir umdreht, hebst du eine Hand, den Rest überlass Marcus.« Para-Barry rematerialisiert also in der Küche. Er schaut vorsichtig ins Wohnzimmer und sieht den Rücken des zweiten Entführers.
    »Sie sind verhaftet«, ruft er laut. Der Bewacher ist außer sich vor Schreck, dreht sich um und sieht den erhobenen Arm von Para-Barry. Bevor er noch zu einer Reaktion fähig ist, setzt ihn Marcus mit einem Handkantenschlag mit seiner T-Kraft außer Gefecht. Wie vereinbart legt Para-Barry dem Verbrecher schnell Hand- und Fußschellen an.
    2 Die »Kommunikationsbrille« ist eine Brille mit eingebautem Handy, über das man, ohne den Mund zu öffnen, kommunizieren kann. Die Antworten werden über den Bügel der Brille direkt an den Ohrknochen abgegeben. Man benötigt übrigens nur zirka 30 Minuten Übung, um verständlich zu reden, ohne den Mund zu öffnen! Siehe dazu Kapitel 9 bzw. den Anhang.
    »Barry, sperr jetzt die Tür zum Keller zu und warte auf die Polizei.«
    Maria und Marcus umarmen sich, damit Marcus durch die Augen Marias sehen kann. Als der zweite Entführer versucht die Kellertreppen hochzusteigen, brechen diese plötzlich durch die Einwirkung von Marcus T-Kraft zusammen und der Mann poltert nach unten. Ungläubig starrt er nach oben. Wie ist das passiert? Und wie soll er jetzt herauskommen? Er ruft seinen Kumpan zu Hilfe, immer lauter, doch der scheint ihn nicht zu hören oder ihn zu ignorieren.
    Marcus hat inzwischen die Polizei informiert, die Straßenkontrollen können aufgehoben werden, ein Streifenwagen soll möglichst schnell zum Strandhaus 76 kommen, dort sind die Entführer. Einer ist schon gefesselt, der andere aber noch frei im Keller, kann dort aber im Moment nicht leicht heraus.
    Para-Barry befreit den Jungen, der verblüfft die Entwicklung verfolgt hat.
    »Du bist jetzt okay«, sagt Para-Barry, »die Polizei wird gleich hier sein.« Das ist sie auch. Sie übernimmt mit Freude die Festnahme des Entführers im Keller und die polizeiliche Festnahme des schon gefesselten zweiten Mannes.
    Marcus ruft die PM an: »Alles unter Kontrolle. Der Sohn von John ist frei und unverletzt, die Entführer sind im Gewahrsam der Polizei. Wir freuen uns, dass wir helfen konnten. Bitte noch etwas: Es wird sicher die Frage auftauchen, wie wir die Verbrecher so schnell orten konnten. Wir wären dankbar, wenn Sie erstens die ganze Ehre der Polizei in Raglan überlassen würden und zweitens erklären, dass die Entführer dumm genug waren, mit ihrem Anführer, der gerade im Raglan Hotel verhaftet wird, dauernd mit dem Handy telefoniert zu haben. Das konnten wir abhören und die Position bestimmen. Diese Fähigkeit braucht SR-Inc. oft zur genauen Ortsbestimmung zum Beispiel von verschütteten Personen, wie Sie ja wissen. Ich hoffe, Sie sind zufrieden?«
    »Ich bin voll Bewunderung und bedanke mich im Namen von John und der Regierung.«
    »Danke für die netten Worte. Sie wissen, dass sie uns den größten Gefallen tun, wenn Sie uns so wenig wie möglich erwähnen.«
    »Ja, ich verstehe.«
    Die PM legt nachdenklich auf. Sie hat in der Para-Gruppe die mächtigsten Verbündeten, die sie je hatte. Aber vielleicht auch die gefährlichsten?