Yakuza Flowers
Kira hart werden lassen. Es war eine Starrheit geworden, die ihn aufrecht gehalten hatte, bis er Vincent begegnet war. Nun musste er fürchten, dass auch das wegbrechen würde. Kira fühlte sich wieder wie damals als Kind, das mit den Erwartungen überfordert war, die man an ihn stellte.
„Du bist nicht –“, versuchte er zu sagen, doch es wollte nicht raus. Die Verleugnung, dass sie Geschwister waren, wollte seine Lippen einfach nicht passieren. Stattdessen perlten dicke Tränen über seine Wangen. Sie flossen über sein Gesicht, ohne dass er sie hätte aufhalten können. Zu lange hatte er Gefühle in sich eingeschlossen, die sich nun an die Oberfläche drängten.
Jiro zog ihn in seine Arme und obwohl Kira es eigentlich nicht wollte, lehnte er sich doch gegen ihn. Früher hatte er sich immer auf ihn verlassen können und jetzt wollte es ein kleiner Teil wieder.
„Es tut mir leid. Ich hätte damals nicht so einfach verschwinden sollen. Ich habe nicht darüber nachgedacht, was ich dir damit antun würde.“ Seine Worte waren wie Balsam auf Kiras geschundener Seele. Er schniefte gegen seine Schulter und versuchte sich wieder zu fangen. Das war nicht das Wiedersehen, was Kira sich ausgemalt hatte. In seiner Vorstellung hatte er Jiro alles an den Kopf geworfen, was ihm in den Sinn kam. Doch nun war alles ganz anders gekommen.
„Was erwartest du von mir?“ Sanft, aber bestimmt schob er Jiro weg und wischte sich über die Augen. „Dass ich Vincent aufgebe? Das werde ich nicht tun.“ So einfach würde er sich von Jiro nicht manipulieren lassen.
„Das will ich auch gar nicht von dir fordern“, antwortete Jiro schlicht. „Mir ist klar, dass ich nicht das Recht habe etwas von dir zu erwarten. Nach all den Jahren, in welchen ich verschwunden war. Aber ich kann dich bitten, mir zu helfen, nicht nur um Vincent zu retten, sondern auch wegen Gabriel.“ Zwar sagte Jiro das sehr vorsichtig, aber es änderte nichts daran, dass Kira die Augen verdrehte.
„Das war klar. Wenn es nur um Vincent gegangen wäre, dann hättest du keinen müden Finger gerührt.“ Unversöhnlich ließ er sich auf den Hocker vor seinem Garderobenspiegel fallen. Von Jiro kam ein resigniertes Seufzen. Natürlich war das, was Kira sagte, gemein und übertrieben, aber er wollte Jiro verletzen. Fünfzehn Jahre konnte man nicht in zwei Minuten kitten.
„Du weißt, dass ich das nicht so meinte“, entgegnete Jiro geduldig. „Allerdings hat mir der Vorfall mit Vincent gezeigt, wie leicht Gabriel in Gefahr geraten könnte. Über kurz oder lang wird er nicht mehr sicher sein. Wenn es soweit kommt, würde ich ihn eher zurück nach London gehen lassen, als ihn bei mir zu behalten.“
„Ist nur die Frage, ob er so einfach gehen würde“, wandte Kira ein. Er kannte Gabriel nicht wirklich. Aber das, was Vincent von ihm erzählt hatte, genügte vollauf. Gabriel würde sich nicht einfach vertreiben lassen. Genauso wenig wie Vincent sich hatte abschrecken lassen.
„Nein, das würde er wohl nicht.“
Kira konnte sehen, wie ein kleines Lächeln über Jiros Gesicht huschte. Die Wärme, die aus ihm strahlte, wenn er über Gabriel sprach, war nicht zu übersehen. Das erklärte natürlich auch den Eifer, mit dem Jiro sich engagierte. Er trat hinter Kira und legte die Hände auf seine Schultern. Dieses Mal jedoch um einiges sanfter, als vorhin.
„Du hast eine Idee?“ Kiras Neugierde war geweckt, denn er wusste, dass gewisse Grundzüge des Charakters sich selbst nach Jahren nicht änderten.
„Ich will ihn ein für alle Mal in Sicherheit wissen und das geht eben nur, wenn Jiro, der Yakuza, für immer verschwindet.“ Er sagte es so schlicht, dass Kira nicht einmal wirklich schockiert sein konnte. Langsam drehte er sich zu seinem Bruder um und sah ihn ernst an.
„Was genau meinst du damit?“, fragte er eindringlich, bevor Jiro zu erzählen begann.
Es war später Abend, als Kira endlich nach Hause kam. Er hatte es nicht eilig gehabt, zurückzukommen. Zum einen brauchte er nach dem Gespräch mit Jiro etwas Ruhe und zum anderen wollte er Gabriel nicht begegnen. Das Glück war ihm hold, denn als er zurückkehrte, war Gabriel schon wieder gegangen. Dafür erwartete Kira ein aufgedrehter Vincent, der ihn schon im Flur regelrecht überfiel.
„Ist Gabriel schon weg?“, fragte Kira vorsichtshalber, während er aus seinen Schuhen schlüpfte.
„Ja, er hat vorhin ein Taxi genommen. Ich habe ihn gebeten, morgen wieder herzukommen. Das ist doch in
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