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Yakuza Flowers

Yakuza Flowers

Titel: Yakuza Flowers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Murasaki
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Dieses Mal war es jedoch Kira, der ihn unterbrach.
    „Dir zuhören? Warum sollte ich das? Hast du mir jemals zugehört? Nein, das hast du nicht! Jetzt will ich dir ebenso wenig zuhören! Verschwinde, ich will dich hier nicht haben.“ Es fiel ihm schwer, ruhig Atem zu holen. Er fühlte sich, als hätte er einen Schlag vor die Brust erhalten. Wobei das Gefühl gar nicht so falsch war. Denn auch wenn der Schlag nicht gegen seinen Körper geführt worden war, so dann doch gegen seine Gefühle.
    Sie starrten sich an, feindselig und gereizt und vielleicht wäre der Streit auf dem schmalen Flur noch weiter eskaliert, wenn nicht einer der Bühnenarbeiter vorbeigekommen wäre. Mit seinem Auftauchen unterbrach er die hässliche Szene.
    Eine Ausrede war nicht nötig, denn Jiro packte Kira am Arm und zerrte ihn zu seiner Garderobe. Die Tür war noch nicht richtig ins Schloss gefallen, als Kira Jiros Hände auf seinen Schultern spürte. Kräftige Finger ließen Schmerz entstehen.
    „Hör mir zu.“ Dieses Mal war keine Kühle in Jiros Stimme zu finden. Er klang genauso gereizt, wie Kira sich fühlte. „Anstatt mir dauernd Vorwürfe zu machen, solltest du mir zuhören, denn es liegt mir wenig daran, Vincent umzubringen.“ Das brachte wieder Leben in Kiras Leib. Empört stieß er die Hände des anderen weg und funkelte ihn böse an.
    „Das werde ich auch nicht zulassen. Wenn es sein muss, dann werde ich zur Polizei gehen.“ Er meinte es ernst.
    Jiro fuhr sich durchs Haar. Sie wussten beide, dass auch die Polizei Vincent nicht würde schützen können. Doch Kira weigerte sich zu glauben, dass er nun auf Gedeih und Verderb Jiro ausgeliefert war. Die Hilflosigkeit, die er das letzte Mal vor vielen Jahren gespürt hatte, drohte ihn zu überrennen.
    „Das wirst du nicht.“ Jiro klang fest entschlossen. „Wenn du soweit gehst, werde ich für Vincent nichts mehr tun können. Verstehst du? Dann wird er auf jeden Fall sterben und –“ Jiro brach ab und sprach es nicht aus, aber Kira wusste, was er sagen wollte. Hätte er Vincent doch bloß nicht geholfen nach Gabriel zu suchen! Im Grunde war das alles seine eigene Schuld. Übelkeit stieg in ihm auf und ließ ihn schwanken. Doch bevor es ernsthaft gefährlich werden konnte, dirigierte Jiro Kira zu einem Stuhl und drückte ihn sanft auf diesen hinunter.
    „Bitte hör mir zu“, versuchte er es noch einmal. „Es ist nicht mein Wille, Vincent zu töten. Hätte ich vorher gewusst, dass er es ist, der nach Gabriel sucht, hätte ich sie gleich zusammengebracht, aber jetzt ist es nun einmal zu spät.“ Kira konnte hören, dass die Kälte aus Jiros Stimme gewichen war. Wärme und Sanftheit hatten sie ersetzt.
    „Leider kann ich die Sache nicht einfach so unter den Teppich kehren“, fuhr er weiter fort. Kira wollte schon etwas erwidern, als er Jiros Finger auf seinen Lippen spürte. „Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, um die Sache zu klären, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Allerdings bräuchte ich dafür deine Hilfe.“
    Das war das Letzte, was Kira von Jiro erwartet hatte. Nach der bitteren Eröffnung hatte er eher mit der Aufforderung gerechnet, sich damit abzufinden. Doch wie es aussah, hatte er Jiro falsch eingeschätzt.
    „Warum sollte ich dir helfen?“ Kiras kämpferische Kraft war verloren gegangen, aber er war nicht bereit sich einfach so zu fügen. Nicht einmal für Vincents Leben. Dafür saßen andere Narben einfach zu tief.
    „Weil du Vincent liebst“, antwortete Jiro schlicht und lächelte ein trauriges Lächeln. „Und weil du mein Bruder bist.“
     
    Es hatte eine Zeit in Kiras Leben gegeben, da hatte er Jiro abgöttisch geliebt. Sein älterer Bruder war sein ein und alles gewesen. Diese unendliche Zuneigung war allerdings an jenem Tag erloschen, als Jiro einfach das elterliche Haus verlassen hatte, um seiner Pflicht zu entkommen.
    Ohne ein Wort hatte er seine wenigen Sachen zusammengesucht und war mitten in der Nacht verschwunden. Nicht einmal von Kira hatte er sich verabschiedet, den der Verlust des Bruders sehr getroffen hatte. Aber schlimmer als das plötzliche Dasein als Einzelkind waren die Erwartungen der Eltern gewesen. Ihre ganzen Hoffnungen übertrugen sie auf Kira. Die Bürde, irgendwann das Theater übernehmen zu müssen, fiel auf die Schultern eines 10-Jährigen, der alles getan hatte, um die Eltern nicht zu enttäuschen und Jiro zu ersetzen. Die strenge Ausbildung zum Schauspieler und das Wissen, nur ein Ersatz für Jiro zu sein, hatten

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