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YANKO - Die Geschichte eines Roma

YANKO - Die Geschichte eines Roma

Titel: YANKO - Die Geschichte eines Roma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anžy Heidrun Holderbach
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nach, bevor sie den schnellen Entschluss gefasst hatte, ihm zu folgen. Das war sie ihrer kleinen Schwester schuldig. Zu oft hatte sie, wie ihr Vater, klein beigegeben und die Launen ihrer Mutter still erduldet. Das hatte Yanko wirklich nicht verdient. Schnell schlüpfte sie in ihren Mantel und verließ leise und unbemerkt das Haus. Sie konnte gerade noch sehen, wie Yanko um die Ecke verschwand.
    Yanko saß mit nassen Haaren in dem Pub, in dem er vorhin nach dem Weg gefragt hatte, am Tresen und starrte in eine Kaffeetasse.
    Der Pub war gut besucht und gemütlich warm. In einem Kamin brannte ein offenes Feuer, und ein paar Musiker spielten irische Tunes. Eigentlich gefiel Yanko diese Musik sehr, aber in diesem Moment konnte er sich einfach nicht darauf konzentrieren.
    Yanko versuchte das soeben Geschehene zu begreifen und war für diese, für ihn bis vorhin völlig unbedeutende Sache mit dem geheimen Namen im Nachhinein irgendwie ein wenig dankbar. Vielleicht funktionierte es ja wirklich, denn seltsamerweise war die üble Verfluchung von Fams Mutter vorhin an ihm ziemlich abgeprallt. Vielleicht hatte er auch nur ein dickes Fell bekommen, aber vielleicht war ja doch etwas dran, und es schützte die angegriffene Person tatsächlich, weilsie ja eigentlich gar nicht wirklich angesprochen wurde. Kurz überlegte Yanko, das für seine Kinder auch noch im Nachhinein zu tun. Und er grübelte ein wenig darüber nach welchen Namen er Kenia geben würde, oder Stefan, oder Manuel. Doch plötzlich schwirrte ihm der Kopf, und er beschloss schnell, darüber ein anderes Mal nachzudenken.
    Eileen betrat den Pub und schaute sich verstohlen um. Sie hoffte, dass niemand hier war, der sie kannte. Und sie dankte Gott innerlich dafür, dass man Yanko nicht gleich ansah, dass er ein Zigeuner war, zumindest nicht so, wie sie sich einen Zigeuner vorstellte. Genau wusste sie allerdings gar nicht, wie denn ein echter Zigeuner so aussah. Sie kannte Zigeuner nur vom Hören Sagen und von den schrecklichen Schauergeschichten, die ihre Mutter ihnen früher immer wieder erzählt hatte, in denen es von dreckigen, verlogenen, hinterlistigen, stehlenden, zerlumpten, bettelnden und kriminellen Zigeunern nur so wimmelte. Und doch wollte sie nicht mit ihm gesehen werden. Wer weiß was geschehen würde, wenn ihre Mutter davon Wind bekäme.
    Sie entdeckte ihn am Tresen und ging rasch zu ihm. Sie war dennoch froh ihn hier in einem Pub zu treffen und nicht mit ihm irgendwo allein sein zu müssen, denn ein wenig mulmig war ihr bei dem Gedanken schon, dass Yanko ein Zigeuner war. Sie setzte sich wie zufällig auf den Barhocker neben ihm und wirkte etwas unsicher und schüchtern.
    Der Wirt kam zu ihr, und sie bestellte einen Tee. Sie nestelte nervös an ihrem nassen Trenchcoat herum und öffnete schließlich ein paar Knöpfe. Yanko starrte weiterhin unbeeindruckt in seine Tasse und hatte sie offenbar gar nicht bemerkt. Kurz wurde ihr so mulmig zumute, dass sie sich ernsthaft überlegte ihn doch nicht anzusprechen. Was sollte das denn auch bringen? Über was sollten sie überhaupt reden?Vielleicht hatte er jetzt genug von Fams Familie und würde sie eiskalt abblitzen lassen, nachdem was ihm vorhin widerfahren war. Aus den Augenwinkeln heraus konnte sie beobachten, dass Yanko nach wie vor in seine Kaffeetasse starrte. Nein, sie musste ihn ansprechen. Offensichtlich war er ja extra deswegen hierher gekommen. Würde er das erst nach so langer Zeit tun, wenn er etwas im Schilde führen würde? Dann wäre er bestimmt früher gekommen. Ihre Mutter hatte zwar jahrelang immer wieder betont, dass man sich vor den Zigeunern in acht nehmen musste, weil sie immer lügen und betrügen würden, aber irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass Fam dann solange mit so einem Mann zusammen gewesen wäre. Und Fam war, wie sie selbst immer wieder in ihren Briefen behauptet hatte, so glücklich mit ihm gewesen, dass sie ihn mit nichts und niemandem auf der Welt hätte tauschen wollen.
    Yanko machte auf sie auch eigentlich nicht den Eindruck eines Verbrechers, obwohl er irgendwie etwas Wildes an sich hatte, dass ihr ein wenig Angst einflößte, sie aber auch gleichzeitig auf eine merkwürdige Weise anzog. Sie musste sich schweren Herzens eingestehen, dass sie in sich einen Anflug von Stolz verspürte, dass dieser fremde Mann neben ihr offensichtlich ihr Schwager war. Er hatte etwas Geheimnisvolles an sich, jedenfalls für sie, denn sie hatte bis jetzt nicht viel aufregende Sachen in

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