YANKO - Die Geschichte eines Roma
locker. Er wusste, dass er jetzt nicht aufhören durfte, auch wenn er am liebsten Yanko in den Arm genommen hätte. „Ja... Was willst du machen?... Das ist, wie wenn du ins Wasser geworfen wirst und nicht schwimmen kannst... Du strampelst um dein Leben... So war es da... Du wehrst dich einfach... Ich... Ich hab’ zwei oder drei Männer getötet... Beim dritten weiß ich nicht, ob er tatsächlich tot war... Ich bin gleich zu Gefleckter Wolf... Vier sind auf ihn los... aber ich kam zu spät... Ein paar Minuten später ist er gestorben... Sie hatten ihm in die Lungen gestochen...“
Tyron rang selbst mit seiner Fassung und wehrte sich gegen die schrecklichen Bilder, die sein Gehirn ihm unweigerlich schickte und atmete ein paar Mal tief durch. Yanko lehnte sich erschöpft im Sessel zurück und starrte vor sich hin. „Puh, das ist allerdings harter Tobak!!! Ist das damals an die Öffentlichkeit gegangen?” „Ja... Ein paar haben sie auch geschnappt und für fünfzehn Jahre hinter Gittern gebracht. Mich und die anderen vier, die es überlebt hatten, haben sie freigesprochen, bzw gar nicht erst angeklagt.” Lange blickten sie sich schweigend an. „Wo hast du das alles hingetan?” Yanko zuckte mit den Schultern. „Damals hat Fam noch gelebt...”
Tyron schaute eine Weile nachdenklich ins Feuer. Auf einmal stand er auf und lief hektisch im Zimmer auf und ab. In seinem Kopf machte sich eine furchtbare Ahnung breit. „Was ist eigentlich mit dem dritten Mann, bei dem du nichtwusstest, ob er tot war?“ „Keine Ahnung, warum?” Tyron wurde ganz nervös. „Das ist jetzt nur mal so daher gesponnen, einfach ein Gedanke, der mir gerade kam... Hast du nie darüber nachgedacht, dass da eventuell ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen all dem, was dir passiert ist?“ Yanko schaute Tyron verwundert an und schüttelte den Kopf. „Nein, wieso? Was alles? Was meinst du?” Tyron setzte sich neben Yanko. „Naja... Ich meine... Du hast zwei Menschen umgebracht und bei dem Dritten bist du dir nicht sicher. Es könnte doch theoretisch irgendjemand, der diesen Menschen nahe stand Rache üben wollen, oder? Vielleicht ein Verwandter oder ein Freund oder oder...” Yanko überlegte. „Theoretisch möglich... Ja...“ „Nehmen wir mal an...“, spann Tyron den Faden weiter. „... derjenige hat es überlebt und weiß genau, dass du es warst... Vielleicht war das mit Fam ja doch kein Unfall...“ Yanko sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Hey Tyron, jetzt gehst du, glaub’ ich, zu weit! Da lagen ein paar Jahre dazwischen...” Aber Tyron ließ sich nicht beirren. „Du hast doch gesagt, dass die im Gefängnis waren... Wieviele Jahre waren denn da dazwischen?“
Yanko fing an zu grübeln und bei dem Gedanken, es könnte tatsächlich etwas Wahres daran sein, wurde ihm kotzübel. Er setzte sich wieder hin und legte eine Hand auf seinen Bauch. „Acht Jahre...”, brachte er hervor. „Vielleicht sind sie ja wegen guter Führung frühzeitig entlassen worden...“, warf Tyron in den Raum. „Gut möglich... Ich weiß es nicht... Da könnte ich ja mal Hugh, unseren Bürgermeister fragen. Der weiß das bestimmt.” „Ja, mach das!”, sagte Tyron und blickte eine Weile nachdenklich zu Yanko.
Und dann fiel ihm noch etwas anderes ein. „Sag mal... Du hast mal ganz kurz erwähnt, dass du Kinder hast... Wo sind die eigentlich?“ Yanko schaute ihn müde an. „Der Älteste müsste in Deutschland sein und der andere in Mexico...” „Klingt, alsob du es nicht genau wüsstest... Wann hast du sie denn das letzte Mal gesehen?“ „Als Stefan zwei Jahre alt war, hat sie mich rausgeschmissen. Was hätte ich damals machen sollen... Ich war der dreckige Zigeuner und gerademal neunzehn... Kurz danach bin ich mit Fam nach Sheddy... Mit Manuel ist es ähnlich... Ich war damals zum Tanzen in Mexico, und da hatte ich was mit einer Mexikanerin... Abtreiben kam für sie nicht in Frage, aber sie hatte so viel Angst vor ihrer Familie... Sie hätten sie ausgestoßen, wenn sie mit einem Kind von einem Weißen gekommen wäre... So hat sie sich schnell einen Mexikaner zugelegt...“
Es strengte Yanko ziemlich an von all dem zu sprechen, und die Erinnerungen an das Geschehene versuchte er vehement zu verdrängen, während er plötzlich aufstand und sich noch ein paar Tränen aus den Augen wischen musste. „Genug für heute!”, beschloss er erschöpft. Er brauchte jetzt dringend eine Zigarette. Tyron nickte und stand auch auf. Sie gingen
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