YANKO - Die Geschichte eines Roma
dem Sofa im Sommerhaus und war eingeschlafen. Sein linker Daumen lag auf der Narbe in seiner rechten Handfläche. Er träumte und sah die fünf Männer wieder auf sich zukommen, und er spürte dabei deutlich, wie der eine Mann mit der Mistgabel zustach. Er sah, wie sie ihm in den Bauch traten und ihm wieder und wieder in die Hand stachen. In seinem ganzen Körper schallten die Worte wider, die sie ihm entgegengeschrien hatten, und er rannte davon, schneller und schneller, bis er völlig außer Atem war und seine Lungen wie Feuer brannten. Schweinehund... Bastard... Dreckiger Zigeuner... Hurensohn... Widerlicher Wichser... Verpiss dich... Dreckiger Zigeuner... Dreckiger Zigeuner...
Schweißgebadet fuhr er aus dem Schlaf und schaute verwirrt um sich, aber es war niemand da. Er stand auf, ging zum Spülbecken und trank ein paar Schlucke Wasser. Er rieb sich das Wasser mit der Hand vom Mund und fühlte sich, wie ein Tiger im Käfig. Gefangen in seinem Körper und nicht in der Lage seinen eigenen Träumen zu entfliehen. Zu gerne hätte er einfach ein Bier aufgerissen und sich die Gedanken aus seinem Gehirn gesoffen. Woher hatten die Männer eigentlich gewusst, dass er ein Roma war? Naja, wahrscheinlich wussten das alle hier irgendwie. Es war ihm eigentlich auch egal, dass sie es wussten. Er wusste ja auch, dass Jim illegal aus Bolivien hierher gekommen war. Doch es interessierte ihn überhaupt nicht, wo irgendjemand geboren wurde, geschweige denn welcher Rasse er angehörte. Entweder derjenige war ok oder eben nicht. Er kannte auch einige Roma, die er überhaupt nicht leiden konnte, und die auch nicht gerade zum guten Ruf seiner Leute beisteuerten. Doch wo gab es schon ein Volk bei dem alle perfekt waren? Für ihn waren es einfach alles Menschen, scheißegal woher sie stammten.
D rei Monate danach war der Winter schon lange da. Der Schnee hatte die Landschaft weiß überzogen und den Bergen ihre Ruhe zurückgegeben.
Yanko und Ron saßen am Kamin, als Ron ihn plötzlich fragte: „Was ist eigentlich mit Tyron? Er war schon lange nicht mehr hier.” „Ja... Er hat da wohl jemand in der Stadt kennengelernt...“, gab Yanko müde zur Antwort. „'Nen Kerl oder 'ne Frau?”, wollte Ron neugierig wissen. „Einen Kerl...” „Hmm... Irgendwie... fehlt er...“, stellte Ron fest und wunderte sich, denn er hatte sie dann doch genossen, diese Miniorgien, wie er ihre Treffen immer selbst bezeichnet hatte.
„Ja... aber irgendwie bin ich auch froh, wieder mit dir allein zu sein!“ Ron grinste und haute Yanko spielerisch mit dem Handrücken auf den Arm. „Erst schleppst du ihn an, und dann soll ich auch mit ihm, und jetzt bist du froh, dass er wieder weg ist... Das soll einer verstehen!” Yanko haute plötzlich zurück, und schließlich balgten sie sich lachend auf dem Boden herum bis sie sich liebten.
Ron erinnerte sich noch genau daran, als er Yanko beim ersten Mal ganz nackt gesehen hatte, dass er über seine vielen Tattoos erstaunt war. Bewusst waren ihm damals nur die auf den Armen gewesen. Er hatte ihn zwar früher schon öfter mal mit freiem Oberkörper gesehen, doch er konnte sich nicht genau an sie erinnern. Sie gefielen ihm, und er fand auch, dass sie ihm standen, obwohl er an sich selbst keine Tattoos mochte, und sie auch oft bei anderen nicht schön fand. Vorsichtig fuhr er mit einem Finger das eine Tattoo auf Yankos Bauch nach, von dem er schon immer hatte wissen wollen, was es eigentlich genau bedeutete, und das vor einigen Jahren jemand mit einem Messer in der Mitte geteilt hatte.
Yanko erklärte ihm schmunzelnd, dass er es damals in Freiburg hatte stechen lassen, als er sich so einsam gefühlthatte. Obwohl er überhaupt nicht religiös war, hatte er sich die schwarze Sarah dorthin tätowieren lassen. Offenbar fand er es jetzt ziemlich lustig, dass er mal so drauf gewesen war und lachte über sich selbst. Schmunzelnd erzählte er Ron dann noch alles, was er über die schwarze Sarah wusste, deren Ikone ihr zu Ehren jedes Jahr Ende Mai in Südfrankreich ins Meer getragen wird.
Langsam wurde es Februar, und der Wind blies eisig über die Bergkuppen und ließ den Schnee tanzen.
Als Yanko nach Hause kam, fühlte er sich total müde und erschöpft. Er ging hinein und stellte die Einkaufstüten in der Küche ab. Er trank ein Glas Wasser und lehnte sich dann mit dem Rücken an die Spüle. Er rieb sich über sein Gesicht und atmete tief durch. Er fühlte sich total gerädert und wollte sich nur noch hinlegen. Er
Weitere Kostenlose Bücher