YANKO - Die Geschichte eines Roma
wurde käsebleich, und der Mund blieb ihr vor Staunen so weit offen stehen, als ob sie ein Gespenst sehen würde. Dann reagierte sie plötzlich überhektisch und kam die paar Stufen heruntergestolpert und sperrte Yanko das kleine Gartentürchen auf.
„Aber ja... ja natürlich!... Jetzt erkenne ich Sie... äh... dich!... Oh, mein Gott!!! Wir dachten du seist tot!!!... Karin hat so etwas erzählt... Komm doch rein, bitte!“, stotterte sie so schnell, dass Yanko Mühe hatte alles zu verstehen. Sie gaben sich umständlich die Hand, und Yanko folgte Stefans Oma ins Haus.
Die Zimmer waren sehr altmodisch eingerichtet, und es roch überall nach Kölnisch Wasser.
Sie gingen ins Wohnzimmer, und Hildegard bot Yanko Platz auf dem Sofa an. Er setzte sich auf das schon viel zu weiche, und er hatte den Eindruck, auch ziemlich verstaubte Sofa und fühlte sich überhaupt nicht wohl. Er spürte plötzlich viel zu deutlich den Schmerz, den er damals gefühlt hatte, als ihm Karin ins Gesicht geschleudert hatte, dass sie ihm Stefan nicht mehr geben könne, weil er ein Zigeuner sei, und ihre Eltern sie verstoßen würden, wenn sie sich weiterhin mit ihm träfe.
Nun saß er im Wohnzimmer von eben diesen Eltern, und die Frau, die Karins Mutter war, erschien ihm gar nicht so unfreundlich. Hildegard verschwand in der Küche und kam mit einem Tablett Kaffee und Kuchen so schnell wieder zurück, als hätte sie Besuch erwartet.
Auf einmal brüllte es von oben, und Yanko zuckte kurz zusammen. „Hildegard, wer ist da gekommen?“ Sie antwortete etwas lauter, als es die Frage eigentlich zulassen würde: „Ach Bruno, das ist nur ein Interessent für die Wohnung.“ Leise raunte sie Yanko zu: „Ich kann ihm nicht sagen, dass du es bist. Er würde sich zu sehr aufregen! Er konnte dich ja bekanntlich noch nie leiden. Er ist seit kurzem bettlägerig, der Arme!” Yanko nahm die ihm angebotene Kaffeetasse entgegen und nippte an dem Kaffee. Er verspürte auch absolut keine Lust Karins Vater zu begegnen und war insgeheim froh, dass er ihn wohl tatsächlich nicht zu Gesicht bekommen würde.
Hildegard fragte ihn mit einem Blick, ob er auch ein Stück Kuchen wollte, doch Yanko wehrte dankend ab. „Wo ist Stefan jetzt?“, fragte er stattdessen. „Er studiert in München. Er ist vor einem halben Jahr dorthin gezogen... Ich habe ein paar Fotos...“ Hildegard stand umständlich auf und holte einpaar Fotoalben aus dem Schrank und setzte sich dann zu ihm auf das Sofa.
Als Yanko seinen Sohn als kleinen Jungen sah, schossen ihm die Tränen in die Augen. Hildegard sah ihn mitfühlend an und legte ihm ihre Hand auf den Arm. „Yanko, es tut mir wirklich leid, dass das damals so gelaufen ist! Ich wusste ja nicht, dass Karin so viele Drogen genommen hatte und schon damals krank davon war. Ich hatte ihr natürlich geglaubt... Und meinem Mann war es und ist es immer noch zuwider, dass Stefan Zigeunerblut in sich hat. Er hätte alles getan, um euch auseinander zu bringen... Das hat er ja dann auch geschafft! Und dann warst du weg, und kurz danach kam Karin zu uns und sagte, dass du gestorben seist. Ich habe es nie angezweifelt... Sie ist wirklich sehr krank. Sie fantasiert nur noch vor sich hin... Es ist schlimm!... Warum bist du damals weg, und wo warst du die ganze Zeit?“
Yanko wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Nachdem Karin mir Stefan nicht mehr geben wollte, bin ich zu meiner Familie in die USA gegangen. Ähm... Karin wollte nichts mehr von mir wissen und ihr auch nicht!“ „Oh, mein Gott!”, kam es Hildegard bestürzt über die Lippen. „Ja... Das war ein schwerer Fehler, und es tut mir sehr leid!!!“, gab sie zu, und Yanko konnte sehen, dass sie es wirklich so meinte. „Ich hole dir jetzt seine Adresse. Morgen Früh um acht Uhr geht ein Zug nach München.“
Hildegard ging in die Küche und kam kurz darauf mit einer Visitenkarte wieder, die sie ihm in die Hand drückte.
Als Yanko sich verabschiedete, nahm Hildegard ihn in den Arm. „Es tut mir wirklich schrecklich leid!”, beteuerte sie nochmals, und es tat ihm gut, dass sie das sagte. „Danke, dass du dich um ihn gekümmert hast!“, sagte er noch, bevor er das Haus verließ.
Der nächste Tag begann mit Sonnenschein, und es war angenehm warm.
Der Zug fuhr fahrplanmäßig im Münchner Hauptbahnhof ein. Er hätte sich gleich ein Taxi nehmen können, doch Yanko entschloss sich erst einmal einen Kaffee trinken zu gehen. Danach schlenderte er durch die Fußgängerzone in
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