YANKO - Die Geschichte eines Roma
Richtung Viktualienmarkt und fühlte sich kurz wie im Urlaub. Es war nicht das erste Mal, dass Yanko in München war, und doch hatte er das sichere Gefühl, dass dies in einem anderen Leben gewesen sein musste. Aber dann kam ihm schlagartig wieder in den Sinn, warum er eigentlich hierher gekommen war. Irgendwie konnte er es sich überhaupt nicht vorstellen gleich an der Tür von seinem Sohn zu stehen. Sein Sohn... Was bedeutete das eigentlich genau? Woher kam die plötzliche Sehnsucht nach ihm? Gab es ihn wirklich? Er kam sich auf einmal vor wie in einem falschen Film. Klar, er hatte die eindeutigen und haarscharfen Erinnerungen an seine Geburt, und doch fühlte er sich Lichtjahre weit weg von all dem was damals geschehen war. Er hatte zwar diese zwei Kinder, aber ausgenommen von Stefans Geburt, und die erste Woche, in der er für ihn allein gesorgt hatte, weil Karin zu schwach gewesen war und ihre Eltern sie nicht sehen wollten, weil sie mit ihm zusammen war, und von den ersten zwei Jahren in denen er Stefan ab und zu nochmal sehen durfte, und ein Bild von Manuel, auf dem er vier Jahre alt war, hatte er überhaupt nichts von seinen Kindern mitbekommen. Stefan würde seinen Vater bestimmt nicht erkennen! Wusste er überhaupt, dass es ihn noch gab? Und wenn ja, würde er ihn überhaupt reinlassen? Würde er ihn überhaupt sehen wollen? Einen Vater, der sich nie gemeldet hatte? Dem es über Jahre hinweg egal war, dass er einen Sohn hatte? War es ihm wirklich immer egal gewesen? Und er musste sich zugestehen, dass es ihm zwar nicht ganz egal gewesen war, er aber auch keinen Impulsverspürt hatte ihn wiedersehen zu wollen. Das alles kam ihm auf einmal ganz seltsam vor. War Stefan wirklich sein Sohn? Oder hatte Karin ihn vielleicht von Anfang an verarscht?
Dann stand er auf einmal vor dem sechsstöckigen Haus.
Er schaute die Namensschilder durch und entdeckte schließlich das Schild auf dem tatsächlich Stefan Wagner stand. Plötzlich konnte er sich gar nicht mehr vorstellen, dass hier tatsächlich sein Sohn wohnen sollte, und er fühlte sich alles andere als ein Vater.
Er zögerte einen Moment und musste tief durchatmen, bevor er zitternd die Klingel drückte. „Hallo?”, hörte er bald über den Lautsprecher. „Hallo... Stefan... Deine Oma Hildegard hat mich hierher geschickt...“, sagte Yanko den Satz dann, den er sich auf der Reise schon zurechtgelegt hatte. Es surrte und die Haustür sprang auf, und plötzlich konnte es Yanko nicht schnell genug gehen. Er jagte die Treppen in den 3. Stock hinauf, denn er wollte nicht noch auf den Aufzug warten, und dann stand er oben am Treppenrand und sah seinen Sohn in der Tür stehen. Yanko erkannte ihn sofort, und sein Herz sprang ihm fast aus seiner Brust. Doch Stefan sah Yanko zunächst fragend an. „Wer sind Sie? Was ist mit meiner Oma?”, fragte Stefan freundlich, aber sachlich. Yanko konnte nicht antworten, er war viel zu tief berührt. Er blieb einfach stehen und blickte ihm in die Augen. Es war unverkennbar, so ähnlich sahen sie sich. Nur das Stefan schwarze Haare hatte. Stefan kam schließlich etwas näher und traute seinen Augen nicht, denn auf einmal hatte er es kapiert.
Er taumelte etwas zurück und lehnte sich an die Treppenhauswand. „Oh, mein Gott!!! Träume ich?”, war alles was er sagen konnte. Yanko schüttelte den Kopf und ging langsam auf Stefan zu. „Du träumst nicht... Ich bin es wirklich... Sie wollten damals keinen Zigeuner in der Familie.“Stefan wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte und japste nach Luft. „Ich glaub’ es einfach nicht... Vater???“
Yanko nickte und konnte Stefan gerade noch auffangen, als ihm kurz die Knie wegsackten. Er half ihm in die Wohnung zurück und setzte ihn auf das Sofa. Dann holte er ein Glas Wasser aus der Küche und setzte sich neben ihn. Stefan nahm, immer noch fassungslos, das Glas und trank einen großen Schluck. Er räusperte sich. „Da wäre Champagner jetzt aber angebrachter!!!... Oh, Mann!!! Ich fasse es nicht!!!... Ich dachte du seist tot!!!”, brachte er noch völlig atemlos heraus.
Sie schauten sich lange an, und schließlich nahm Yanko seinen Sohn in die Arme, und sie hielten sich lange und freuten sich wie die Schneekönige und weinten gleichzeitig vor Freude. „Ich kann es nicht glauben! Bestimmt wache ich gleich auf!“, japste Stefan. „Es ist kein Traum!”, hörte Yanko sich sagen, und war sich selbst nicht sicher, ob nicht er es war der träumte. Yanko zwickte Stefan in die
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