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Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia

Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia

Titel: Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria V. Snyder
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verschiedene Düfte und Aromen komponiert, die den Opfern von Verbrechen dabei helfen sollen, sich die Tat mit möglichst vielen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen. Diese Erinnerungen sind sehr intensiv, und sie helfen Leif dabei, ein besseres Bild von dem zu bekommen, was den Opfern zugestoßen ist.“ Sie ließ mich los, setzte sich hin und verteilte das Obst in drei Schalen. „Ich hatte gehofft, dass das Apfelparfüm deinen Erinnerungen an uns auf die Sprünge helfen könnte.“
    „Es hat auch etwas bewirkt, aber …“ Ich unterbrach mich, weil ich einfach nicht in der Lage war, die flüchtigen Eindrücke in Worte zu fassen. Es bekümmerte mich immer mehr, dass ich mich nicht an irgendetwas aus den sechs Jahren, die ich hier gelebt hatte, erinnern konnte. Stattdessen fragte ich: „Machst du viele Parfüms?“
    „Oh ja“, antwortete sie. „Esau bringt mir herrliche Blumen und Pflanzen mit, die ich verarbeiten kann. Ich liebe es, neue Parfüms und Düfte zu kreieren.“
    „Und sie ist die Beste im ganzen Land“, sagte eine dröhnende Stimme hinter mir. Ich drehte mich um. Ein kleiner, stämmiger Mann betrat das Zimmer. Seine Ähnlichkeit mit Leif war nicht zu übersehen.
    „Meister-Magier haben ihre Parfüms benutzt, selbst die Königin und Prinzessin von Ixia, als sie noch lebten“, verkündete Esau stolz. Er packte mich bei den Handgelenken und zog mich hoch. „Yelena, mein Kind. Wie groß bist du geworden.“ Er schloss mich in die Arme und drückte mich fest an sich.
    Ein starker, erdiger Geruch stieg mir in die Nase. Noch ehe ich etwas sagen konnte, löste er sich wieder von mir, ließ sich auf einen Stuhl fallen, setzte sich eine Schale Obst auf den Schoß und griff nach einer Tasse Tee. Perl reichte mir die andere Schale, während ich ebenfalls Platz nahm.
    Esaus ungekämmtes graues Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Während er aß, bemerkte ich, dass die Linien seiner Handfläche dunkelgrün gefärbt waren.
    „Esau, hast du deine Finger wieder nicht vom Blattöl lassen können?“, fragte Perl streng. „Kein Wunder, dass es so lange gedauert hat, bis du heruntergekommen bist. Bestimmt hast du versucht, es abzuwaschen, um nicht überall Flecken zu hinterlassen.“
    An der Art, wie er den Kopf einzog, konnte ich erkennen, dass dies ein Dauerstreit zwischen ihnen war. Esau sah mich schweigend an, blinzelte mit den Augen und wackelte mit dem Kopf hin und her, als ob er eine Entscheidung treffen müsste. Seine Gesichtsfarbe erinnerte mich an Tee ohne Milch. Tiefe Linien durchfurchten seine Stirn und breiteten sich fächerförmig um seine Augen aus. Er hatte ein freundliches Gesicht, dem das Lachen offensichtlich ebenso vertraut war wie das Weinen.
    „Jetzt möchte ich aber endlich erfahren, was du die ganzen Jahre über getan hast“, sagte Esau.
    Ich unterdrückte einen Seufzer. Nun gab es kein Entkommen mehr. Da ich im Norden daran gewöhnt worden war, Befehlen zu gehorchen, erzählte ich ihnen, wie ich im Waisenhaus von General Brazell im Militärdistrikt 5 aufgewachsen war. Die unangenehmen Jahre, als ich in die Pubertät gekommen und Reyads und Mogkans Laborratte geworden war, streifte ich nur flüchtig. Denn allein schon bei der Erwähnung der Tatsache, dass Reyad und Mogkan die magischen Kräfte ihrer Opfer dazu benutzen wollten, um Brazell beim Sturz des Commanders zu helfen, wechselten meine Eltern besorgte Blicke. Deshalb verschwieg ich die grausamen Einzelheiten und erzählte ihnen nicht, wie sie die Seelen der entführten Kinder aus Sitia nach und nach abgetötet hatten.
    Auch als ich von meiner Tätigkeit als Commander Ambroses Vorkosterin berichtete, erwähnte ich mit keinem Wort, dass ich in dessen Kerker wegen des Mordes an Reyad auf meine Hinrichtung gewartet hatte. Überraschenderweise wurde ich dann nach einem Jahr vor die Wahl gestellt, entweder durch den Strick zu sterben oder die Stellung als Gifttesterin anzunehmen.
    „Ich wette, du warst die beste Vorkosterin, die sie jemals hatten“, sagte mein Vater.
    „Wie kann man nur so etwas Schreckliches sagen“, tadelte Perl ihn. „Stell dir vor, sie wäre vergiftet worden?“
    „Wir Lianas haben ein feines Gespür für Gerüche und Geschmäcker. Ich glaube nicht, dass sie so lange gelebt hätte, wäre sie nicht so gut darin, Gift im Essen zu entdecken. Und jetzt ist sie ja bei uns und in Sicherheit.“
    „Es ist ja nicht so, dass man andauernd versucht hat, den Commander zu vergiften“, entgegnete ich.

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