Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
in die Luft stachen, kam mir diese Haltung sehr vertraut vor. Plötzlich hatte ich das Gefühl, ich könnte zurückgehen in eine Zeit, als mein größtes Problem darin bestand zu entscheiden, welches Spiel ich als Nächstes spielen sollte. Doch die Erinnerungen an meine Kindheit verblassten, sobald ich mich darauf zu konzentrieren versuchte.
Tula bedeckte die Augen. Sie schwieg, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Die Entführung und die Qualen noch einmal zu durchleben, musste schrecklich für sie sein.
„Ruht euch ein wenig aus“, riet Leif uns. „Ich komme später noch einmal wieder. Vielleicht weiß der Zweite Magier etwas über diese Symbole.“ Er verließ das Zimmer.
Die Ereignisse des Morgens hatten meine eigenen geringen Kraftreserven endgültig aufgezehrt. Ich wusste, dass Worte Tula nicht trösten würden. Deshalb war ich erleichtert, als Opal den Raum betrat. Beim Anblick des besorgten Gesichts ihrer Schwester brach Tula in lautes Schluchzen aus. Opal legte sich neben sie ins Bett, hielt Tula dicht an sich gedrückt und wiegte sie wie ein Baby. Während ich spürte, wie Tula ihren Körper von dem Gift des maskierten Mannes reinigte, schlief ich ein.
Den ganzen restlichen Tag konnten wir uns vor Besuchern kaum retten. Auch Cahil kam. Er roch nach Stall.
„Wie geht es Kiki?“, erkundigte ich mich, denn ich vermisste sie. Obwohl der Kontakt zu ihr nach wie vor bestand, konnte ich nicht genügend Energie hervorbringen, um ihre Gedanken zu hören.
„Sie ist ein bisschen nervös. Wie alle Pferde. Der Stallmeister hat einen seiner Wutausbrüche gehabt. Pferde reagieren sehr feinfühlig auf menschliche Emotionen. Wenn ein Reiter nervös ist, ist es sein Pferd auch.“ Cahil schüttelte den Kopf. „Mir fällt es immer noch schwer zu glauben, dass du mit ihnen kommunizieren kannst. Wahrscheinlich ist heute einer dieser Tage, an dem ich meine Meinung gründlich überdenken muss.“
„Wieso?“
„Ich habe dich für eine wichtigtuerische Angeberin gehalten, als du behauptet hast, Tula helfen zu können. Aber du hast es tatsächlich getan.“ Aufmerksam betrachtete Cahil mich.
Ich musste ihm recht geben, was seine Ansicht über mein ausgeprägtes Selbstbewusstsein betraf. Commander Ambroses Seele zu retten war einfach gewesen im Vergleich zu Tulas Erlösung, aber ich hatte vergessen, dass Irys mit mir im Zimmer des Commanders gewesen war, und letztlich war es seiner ausgeprägten kämpferischen Natur und Entschlusskraft zu verdanken, dass er sich von seinen Dämonen hatte befreien können.
„Du bist fast selbst ums Leben gekommen, als du Tula gerettet hast“, sagte Cahil. „War es das Risiko wirklich wert, mir noch einmal zu beweisen, dass ich unrecht hatte?“
„Meine Motive waren nicht selbstsüchtig“, entgegnete ich aufgebracht. „Ich wollte ihr helfen. Ich wusste, was sie durchgemacht hat und dass sie mich brauchte. Als mir klar zu werden begann, wie ich sie erreichen konnte, habe ich gar nicht lange überlegt, sondern einfach nur gehandelt.“
„Und an die Gefahr, in die du dich begeben hast, hast du keine Sekunde lang gedacht?“
„Diesmal nicht.“ Ich seufzte, als ich seinen bestürzten Gesichtsausdruck sah.
„Du hast dich also schon einmal für andere in große Gefahr begeben?“
„Ich war die Vorkosterin des Commanders.“ Das war schließlich jedem bekannt – im Gegensatz zu meiner Rolle, die ich gespielt hatte, um Brazell unschädlich zu machen.
Cahil nickte. „Eine ausgezeichnete Möglichkeit, um über die Pläne des Commanders Bescheid zu wissen. Er hat dich als Schutzschild benutzt. Du solltest besser helfen, ihn zu stürzen. Warum bloß bist du ihm so ergeben?“ Seine Stimme klang heiser vor Enttäuschung.
„Dank meiner Stellung konnte ich hinter die Fassade sehen. Ich habe seine Freundlichkeit und die Sorge um seine Leute hautnah miterlebt. Er hat seine Macht nicht missbraucht. Zugegeben, er ist alles andere als vollkommen, aber er hat stets zu seinen Überzeugungen gestanden. Und gerade weil er so verlässlich war und seine Versprechen gehalten hat, brauchte man nie auf Zwischentöne zu achten, wenn er etwas gesagt hat, oder Doppelzüngigkeit zu befürchten.“
Doch er blieb uneinsichtig. „Man hat dir eine Gehirnwäsche verpasst, Yelena. Aber vielleicht haben wir ja Glück und du kommst wieder zur Vernunft, wenn du erst einmal eine Weile in Sitia warst.“ Ohne auf meine Antwort zu warten, verließ Cahil das Zimmer.
Unser Gespräch hatte mich
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