Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
gleichmäßigen Pulsieren des Dschungellebens an, während ich von Baum zu Baum kletterte. Als der Rhythmus durch die Gegenwart eines anderen Lebewesens durcheinandergeriet, konzentrierte ich meine Sinne auf das entfernte Summen. Angestrengt versuchte ich, die Quelle ausfindig zu machen. Ein Mann in den Baumkronen! Noch während ich herauszufinden versuchte, ob es sich um einen Freund oder Feind handelte, griff ich mit der linken Hand nach einem glatten, nachgiebigen Ast. Instinktiv zog ich mein Bewusstsein zurück, und mein Geist verband sich mit einem Jäger, der in den Bäumen lauerte.
Eine Bewegung ließ die Blätter rascheln. Das angsteinflößende Zischen einer Schlange, die sich bewegte, drang an mein Ohr. Der Ast unter meinem Fuß gab nach. Ich hangelte mich zu einem solideren, aber alles, was ich zu fassen bekam, war die trockene Haut einer Schlange. Die Farbe der Halsbandschlange verschmolz so vollkommen mit dem Grün des Dschungels, dass ich nicht erkennen konnte, wo das Tier begann oder endete.
Ich schloss die Augen und trat in das Bewusstsein der Schlange ein. Einen Teil ihres Körpers hatte sie um zwei Äste geschlungen, sodass ich auf ihr lag wie in einer flachen Mulde. Ich zog mein Schnappmesser aus der Tasche und ließ die Klinge herausspringen.
Kaum lastete das Gewicht der Schlange, die sich um meine Schultern zu winden begann, auf mir, durchfuhr es mich wie ein Blitz, dass mir nur noch wenige Sekunden blieben, bis das Raubtier sich wie eine Kette um meinen Hals schlingen und mich erwürgen würde. Ich spürte die Befriedigung des Reptils, als es sich bewegte, um fester zuzudrücken.
Ich rammte mein Messer in den dicken Leib der Schlange. Würde das Curare auf der Klinge das Tier außer Gefecht setzen? Sein Gehirn registrierte einen leichten Schmerz, als ich zustach, aber es hielt die Wunde für geringfügig.
Die Schlange zog sich enger um mich zusammen, wickelte sich um meine Beine und meinen linken Arm. Ich stellte fest, dass sie mich in der Luft hielt. Wenn ich es schaffte, sie durchzuschneiden, würde ich zu Boden stürzen.
Eine weitere Schleife fuhr mir übers Gesicht, als die Schlange versuchte, sich um meinen Hals zu winden. Mit meinem freien Arm schob ich sie fort. Gleich darauf spürte ich, wie etwas an meinem Rücken emporkroch.
Den sicheren Tod durch Erwürgen vor Augen, bot ein Sturz zur Erde allemal die größeren Überlebenschancen. Deshalb stach ich erneut mit meinem Messer in eine Windung, um den Leib durchzuschneiden. Doch ehe ich mehr Druck ausüben konnte, verharrte das Tier plötzlich bewegungslos.
Vielleicht hatte das Curare meinen Angreifer paralysiert. Ich zog die Klinge heraus. Prompt wickelte sich die Schlange wieder fester um mich. Das Curare hatte also nicht gewirkt. Doch als ich das Messer erneut in sie hineinrammte, erstarrte das Tier in seinen Bewegungen. Seltsam. Vielleicht hatte ich eine besonders verletzliche Stelle gefunden. Wir waren in einer Sackgasse gelandet.
Mein mentaler Kontakt mit der Schlange verriet mir, dass sich ihr Hunger mit ihrem Überlebenswillen einen erbitterten Kampf lieferte. Ich versuchte, Kontrolle über den Willen des Raubtiers zu bekommen, aber ihr und mein Bewusstsein waren unvereinbar. Obwohl ich ihre Absicht spürte, konnte ich ihre Bewegungen nicht lenken.
Ich wollte die Schlange nicht umbringen, sah aber keine andere Möglichkeit. Erst wenn sie tot war, konnte ich mich aus ihrer Umklammerung befreien und meinen Weg durch die Bäume fortsetzen.
„Hallo? Ist da jemand?“, ertönte eine Männerstimme.
Der Kampf mit dem Reptil hatte meine ganze Aufmerksamkeit beansprucht. Im Stillen verfluchte ich mich, weil ich den Mann vergessen hatte. Ich projizierte mein Bewusstsein in die Baumkronen und stieß auf die gut geschützten Gedanken eines anderen Magiers. Ob es sich um einen Fälscher oder einen Geschichtenerzähler handelte, konnte ich allerdings nicht erkennen.
„Hat dir die Schlange die Sprache geraubt?“ Er lachte über seinen Witz. „Ich weiß, dass du da bist. Ich habe deine Macht gespürt. Wenn du nicht in den Urwald gehörst, können dich die Schlangen genauso gut zum Abendessen verspeisen.“
„Schlangen?“, erwiderte ich. Seine Sprachmelodie kam mir vertraut vor. Kein Daviianer. Kein Sandseed. Ein Zaltana – hoffentlich.
„Deine Halsbandschlange hat einen Hilferuf ausgesandt. Selbst wenn du es schaffst, diese hier zu töten und dich zu befreien, werden ihre Artgenossen die Arbeit für sie zu Ende
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