Yoga-Anatomie
dafür, wie die koordinierten Atem- und Körperbewegungen beim Yoga zu enormen Verbesserungen des Gesundheitszustands und sämtlicher Körperfunktionen führen können.
Die Tätigkeit des Zwerchfells
Erinnern wir uns zunächst daran, dass die Muskelfasern des Zwerchfells hauptsächlich an der vertikalen (senkrechten) Achse des Körpers ausgerichtet sind (Abb. 1.11).
Wie bei jedem anderen Muskel auch ziehen die kontrahierenden Fasern des Zwerchfells ihre beiden Enden (die Sehnenplatte und den Rand des Brustkorbs) zueinander. Diese Muskeltätigkeit ist die fundamentale Ursache der beim Atmen auftretenden dreidimensionalen Formveränderung von Brust- und Bauchraum.
Da das Zwerchfell multidimensional arbeitet, hängt die Bewegung, die es hervorruft, davon ab, welche Bereiche seiner Befestigungen beweglich und welche fest sind.
Abb. 1.11 Sämtliche Muskelfasern des Zwerchfells verlaufen vertikal von ihren unteren Befestigungen bis zum Ansatz an der Sehnenplatte.
Lassen Sie uns diesen Sachverhalt anhand eines Beispiels verdeutlichen: Der große Lendenmuskel erzeugt eine Hüftbeugung, indem entweder das Bein zur Vorderseite der Wirbelsäule gezogen wird (wenn man auf einem Bein steht und das andere nach vorn anhebt) oder wenn man sich mit dem Oberkörper nach vorn beugt (wie bei Sit-ups mit am Boden fixierten Beinen). In beiden Fällen macht der große Lendenmuskel dasselbe: Er kontrahiert und beugt das Hüftgelenk. Der Unterschied besteht darin, welches Ende fest ist und welches beweglich. Selbstverständlich sieht ein bewegtes Bein bei festem Rumpf völlig anders aus als ein bewegter Rumpf bei fixiertem Bein.
Varianten der Zwerchfellatmung
So wie man sich den Großen Lendenmuskel als Beinbeweger oder Rumpfbeweger vorstellen kann, kann man sich das Zwerchfell entweder als Bauchwölber oder als Brustkorbheber vorstellen (Abb. 1.12). Die Muskeltätigkeit des Zwerchfells wird oft mit einer Auswölbung des oberen Bauches in Verbindung gebracht, die allgemein als »Bauchatmung« und irreführend als »Zwerchfellatmung« bezeichnet wird. Aber das ist nur eine Art der Zwerchfellatmung, und zwar eine solche, bei der der Brustkorbrand (untere Befestigungen) fest ist, aber die Zwerchfellkuppeln (obere Befestigungen) beweglich (Abb. 1.13 a) sind.
Abb. 1.12 Das Zwerchfell fungiert als Bauchwölber (a) bei der Bauchatmung oder als Brustkorbheber (b) bei der Brustatmung.
Wenn dagegen umgekehrt die Zwerchfellkuppeln fixiert und die Rippen frei beweglich sind, bewirkt eine Zwerchfellkontraktion eine Weitung des Brustkorbs (Abb. 1.13 b). Hierbei handelt es sich um eine »Brustatmung«, von der oft behauptet wird, sie werde von anderen Muskeln als dem Zwerchfell hervorgerufen. Dieser Irrtum führt zu der falschen Annahme, die Brustatmung sei das Gegenteil der Zwerchfellatmung.
Abb. 1.13 Bei fixiertem Rippenbogen und entspannten Bauchmuskeln senkt die Kontraktion des Zwerchfells die Sehnenplatte (a). Bei entspanntem Brustkorb und durch die Bauchmuskeln stabilisierter Sehnenplatte hebt das sich kontrahierende Zwerchfell die Rippen an (b).
Als bedauerliche Konsequenz daraus wird vielen Menschen, die beim Atemtraining eher ihre Brust (anstatt des Bauches) bewegen, gesagt, dass sie ihr Zwerchfell nicht benutzen. Aber das stimmt überhaupt nicht. Vom Fall einer Lähmung abgesehen, ist das Zwerchfell immer an der Atmung beteiligt. Die Frage ist nur, ob es effizient eingesetzt wird, ob es also mit den anderen an der Formveränderung beteiligten Muskeln gut koordiniert wird. Genau diese Koordination wird beim Yoga trainiert.
Wenn es möglich wäre, alle Muskeln, die die Hohlräume unseres Körpers stabilisieren, zu entspannen, würden sich sowohl Brust als auch Bauch gleichzeitig bewegen. Das kommt jedoch selten vor, denn um die Körpermasse gegen die Schwerkraft aufzurichten, ist es nötig, dass viele der Muskeln, die den Atemapparat stabilisieren und daneben auch zur Stützmuskulatur gehören, in allen Atemphasen aktiv bleiben, sogar in Rückenlage. So gesehen sind unsere Haltungsgewohnheiten identisch mit unseren Atemgewohnheiten.
Der Motor der dreidimensionalen Formveränderung
Die spezifischen Muster, die beim Ausführen von Yoga-Asanas oder Atemübungen ( Pranayama ) auftreten, werden von der Atemhilfsmuskulatur hervorgerufen – anderen Muskeln als dem Zwerchfell –, die ebenfalls die beiden Höhlen verformen kann. Ihre Beziehung zum Zwerchfell ähnelt der Beziehung zwischen Steuerung und Motor bei einem Auto.
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