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Yoga-Anatomie

Yoga-Anatomie

Titel: Yoga-Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Leslie u Matthews Kaminoff
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mit der Ein- und Ausatmung koordiniert werden, wirken die drei besprochenen Diaphragmen (Beckenboden, Zwerchfell und Stimmbänder) mit Ujjayi zusammen. Das Ventil, das durch Ujjayi entsteht, macht den Atem nicht nur länger und fühlbarer, sondern schafft auch eine Art Gegendruck in Brust- und Bauchhöhle. Dieser Gegendruck schützt die Wirbelsäule bei ausgedehnten, langsamen Beuge- und Streckbewegungen, wie sie beim atmungsorientierten fließenden Bewegungsablauf des Vinyasa, etwa beim Sonnengruß, vorkommen. In Yoga-Begriffen ausgedrückt: Die Tätigkeiten dieser drei Diaphragmen (Bandhas) schaffen im Körper mehr Sthira (Stabilität) und schützen ihn vor Verletzungen, indem die mechanische Belastung umverteilt wird.
    Abbildung 1.23 zeigt aus zwei Perspektiven eine Analyse der Körpermechanik bei einer Vorbeuge. Abbildung 1.23 a stellt diese Körperbewegung ohne Atemunterstützung dar. Weil die Atemmuskulatur, die die Hohlkörper umgibt, nicht aktiv ist, gibt es keinen einzelnen Schwerpunkt bei der Körperform, nur ein teilweiser Schwerpunkt (B) ist aufgrund des langen Hebel (C) des Arms zu erkennen, dessen Angelpunkt (A) genau an der empfindlichen Bandscheibe zwischen Kreuzbein und Lendenwirbelsäule liegt. Das Gewicht des Oberkörpers wird von der Rückenmuskulatur gehalten, die Druck auf das kurze Ende des Hebels (D) ausübt. Der Körper meidet instinktiv diese extrem schlechte Hebelwirkung, und daher halten wir in solchen Situationen oft den Atem an, um unsere Wirbelsäule nicht zu schädigen.
    Abbildung 1.23 b zeigt dieselbe Bewegung unter Einsatz des Glottisventils Ujjayi (E), das automatisch die Atemmuskulatur aktiviert. Dadurch entsteht auf der Vorderseite der Wirbelsäule durch die stabilisierten Hohlkörper ein Stützeffekt. Der Oberkörper hat nun einen einzigen Schwerpunkt, der sicher auf Becken und Beinen ruht. Das wird allgemein als vordere Stützkraft ( frontal support ) bezeichnet.
    Den Körper mithilfe dieser Gegenkraft zu halten und zu bewegen, hat einen weiteren Effekt: Es entsteht Hitze im System, die auf vielfältige Weise förder lich sein kann. Diese Praktiken werden als Brahmana ( brah bedeutet »zunehmen« oder »ausdehnen«) bezeichnet, was Hitze, Ausdehnung und Kraftentwicklung sowie Widerstandsfähigkeit impliziert. Mit Brahmana werden außerdem Einatmung, Ernährung, Prana und der Brustbereich assoziiert.
    Wenn wir den Körper bei erholsamen Übungen in stabiler, horizontaler Lage entspannen, ist es wichtig, die Bandhas und den Glottisverschluss zu lösen, die oft mit der aufrechten Haltung verbunden sind. Bei dieser entspannenden Seite des Yoga manifestiert sich das Wesen von Langhana (»Fasten«), das sowohl mit Kühle, Verdichtung, Entspannung und Loslassen verbunden wird als auch mit Sensibilisierung und Verinnerlichung. Langhana wird außerdem mit Ausatmung, Ausscheidung, Apana und der Bauchregion assoziiert.
    Das Yoga-Atemtraining hat letztendlich das Ziel, das System von gewohnheitsmäßigen, störenden Blockaden zu befreien, und zuallererst müssen wir uns von der Vorstellung lösen, es gäbe eine einzige richtige Art zu atmen. So nützlich die Bandhas auch sind und uns dabei unterstützen, den Schwerpunkt zu halten und unsere Wirbelsäule im Raum zu bewegen, so müssen wir aber die für das Brahmana zuständigen Sthira-Kräfte im System loslassen, wenn wir Langhana, Entspannung und Befreiung, also Sukha, erreichen wollen.

    Abb. 1.23 Körperhaltung ohne (a) und mit (b) Stützfunktion der Atmung.
    Intrinsisches Gleichgewicht: Druckunterschiede
    Der Begriff intrinsisches Gleichgewicht verweist auf mehrere wichtige Mechanismen, die alle zusammen den menschlichen Oberkörper zu einem selbsttragenden Gebilde machen, das vom Wesen her zur Aufwärtsbewegung neigt.
    Der wichtigste dieser Mechanismen findet sich im Bindegewebe des Oberkörpers: der Druckunterschied zwischen dem unteren Bauchraum (höchster Druck), dem oberen Bauchraum (mittlerer Druck) und der Brusthöhle (niedrigster Druck). Da Energie immer von Regionen mit höherem Druck in solche mit niedrigerem Druck übergeht, bewegt sich der Inhalt des unteren und oberen Bauchraums ständig aufwärts in Richtung Brusthöhle. 5
    Die knöchernen Komponenten des Oberkörpers – Wirbelsäule, Brustkorb und Becken – haben alle eines gemeinsam: Sie sind durch mechanische Spannung zusammengeschnürt wie Sprungfedern, die von elastischen Bändern zusammengehalten werden. Wird das Brustbein bei Operationen in der Brusthöhle

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