Yoga Bitch
(oder so taten) und sich von einem Treatment zum anderen fahren ließen. Polly, Alev, Sophie und ich nannten sie die Chihuahuas, denn sie waren niedlich, zickig und quäkten wirklich ganz schön.
Chihuahuas
– sind die personifizierte »high maintenance«.
– gibt es nur bis Größe 36 zu kaufen.
– sehen eine halbe Grapefruit als Frühstück an.
– können ganz schön bissig werden, zum Beispiel wenn das Dressing Mayo enthält.
– zittern schnell.
– fragen aus der Umkleidekabine nie: »Haben Sie das auch eine Nummer größer?«, sondern immer nur: »Haben Sie das auch zwei Nummern kleiner?«
– reisen tatsächlich noch mit beauty case.
– denken jetzt schon über Vaginoplastik nach. Man weiß ja nie.
Rosa rollte schon mal mit den Augen, wenn sie über die Chihuahuas sprach, andererseits brauchte sie ab und an Begleitung bei ihren Treatments, denn von uns hatte keine genügend Zeit oder Geld, um mitzuhalten. Jedenfalls hatten zwei der Chihuahuas Zahnspangen, eine sogar aus Metall, die andere eines dieser unsichtbaren Teile und die dritte hatte Veneers. Ein Chihuahua, so erzählte mir Rosa, konnte drei Monate lang nur Suppe essen. Nicht, dass das eine allzu große Ernährungsumstellung für sie gewesen wäre – für mich wäre es das schon.
Rosa hätte sich ohne mit der Wimper zu zucken eine Zahnspange verpassen lassen, doch ihre Zähne waren perfekt. Sie war trotzdem auf dem neuesten Stand zu diesem Thema, denn über irgendetwas musste man sich mit den Chihuahuas ja unterhalten. Rosa gab die Infos großzügig weiter, denn sie streute ihr Wissen über Schönheit gerne, was ein weiterer Grund war, sie zu mögen.
»Du bekommst entweder eine Spange oder Veneers«, sagte Rosa. »Ich würde dir eine Spange empfehlen, denn Veneers sind viel teurer und sehen oft so fake aus. Geh zu Dr. Kiefermed. Normalerweise muss man drei Monate auf einen Termin warten, aber sag’, dass du von mir kommst.«
»Du hast doch gar keine Zahnspange!«
»Ja, aber ich wollte mir eine verpassen lassen. Total krank. Ich bin so froh, dass ich keine brauche, ich würde so viel Metall in meinem Mund nicht ertragen. Der eine Chihuahua hat seine Spange seit fast zwei Jahren.«
»Ich würde sterben«, sagte ich.
»Bei dir dauert es höchstens sechs Monate«, meinte Rosa.
»Eigentlich wollte ich mir die Zähne bleichen lassen.«
»Ja, das machst du natürlich auch. Aber zuallererst fängst du mit Ölziehen an. Das ist die Voraussetzung für gesundes Zahnfleisch, und gesundes Zahnfleisch ist das neue Zahnweiß«, dozierte Rosa.
»Was ist denn Ölziehen?«
»Eine alte Ayurveda-Technik. Du nimmst morgens einen Schluck kalt gepresstes Sonnenblumenöl in den Mund und ziehst es durch die Zähne. Also du gurgelst langsam.«
»Iiiiih! Mit Öl? Wie lange denn so?«
»Eigentlich 20 Minuten …«
»Was?!«
»Aber mach’ einfach, solange du kannst. Ich mache manchmal fünf Minuten, manchmal zwei«, sagte Rosa. »Mein Zahnarzt sagt, er habe noch nie so schönes Zahnfleisch gesehen.«
»Das glaube ich. Und was soll das bringen?«
»Das Öl bindet Bakterien, an die die Zahnbürste nicht rankommt.«
»Aha. Und wie oft machst du das?!«
»Zweimal die Woche. Übrigens werden die Zähne weißer dadurch. Keine Ahnung, warum. Mach’s einfach!«
Ich las ein bisschen im Internet darüber. Manche Quellen sagten, Ölziehen würde aus Russland stammen. Auch gut. Jedenfalls sollte es sehr viele Giftstoffe aufnehmen, wasserlösliche ebenso wie fettlösliche. Außerdem sollte es sich positiv auf die Atemwege auswirken, auf Herz und Kreislauf, auf die Haut und auf die Verdauung. Gebongt.
Am nächsten Morgen traute ich mich an die Ölflasche und nahm einen kräftigen Schluck. Das Öl fühlte sich von der Konsistenz her komisch an, schmeckte aber nur entfernt nach Sonnenblumenöl. Ich hielt drei Minuten durch, spuckte, bürstete und hatte ein noch nie da gewesenes Gefühl der Sauberkeit im Mund. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, aber das war gut genug für mich, und so schlich sich Ölziehen als regelmäßiges Schönheits-Gesundheits-Dingsbums in mein Leben.
*
Jana sagte, wir sollten einen aufrechten und bequemen Sitz finden. Es ging um den Lotussitz zu Beginn jeder Stunde, der so einfach aussah und nach spätestens zwei Minuten anfing zu nerven und zu zwicken und irgendwo zu jucken. Still sitzen war für jemanden wie mich stets die schwierigste Aufgabe, nicht nur im Yoga. Ich konnte es nie abwarten, bis es mit den anstrengenden Asanas
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