Yoga Bitch
Kulturkreise übertragen: Dort, wo niemand eine Lidfalte besitzt, wird diese als Schönheitsmerkmal empfunden. (Deshalb sind Lidfalten-OPs in asiatischen Ländern die Schönheits-OP Nummer eins.)
Doch die Globalisierung spielt eine immer stärkere Rolle in der Vereinheitlichung des Schönheitsideals. Das bedeutet, dass sich das westliche Schlankheitsideal immer mehr ausbreitet. Ein gutes Beispiel ist Brasilien, wo kleine Brüste bis vor einiger Zeit als schön angesehen wurden, da die weiße, reiche Schicht eine kleinere Oberweite besaß und große Brüste ein Hinweis auf die Herkunft und ein Wahrzeichen der ärmeren Gesellschaft gewesen waren. Das hat sich nun geändert und Brustvergrößerungen werden in Brasilien doppelt so häufig wie Brustverkleinerungen vorgenommen. Im Übrigen wurde im Jahr 2009 zum ersten Mal in der 40-jährigen Geschichte der ISAPS (International Society of Aesthetic Plastic Surgery) die Brustvergrößerung als häufigste Schönheitsoperation weltweit abgelöst, und zwar durch die Liposuktion, zu deutsch Fettabsaugung. Danach folgen Augenlidstraffungen, Nasenkorrekturen und Bauchstraffungen.
Das ist die 2009 von der ISAPS herausgegebene Top-25-Liste der Länder mit den weltweit meisten Schönheitsoperationen:
1. USA
10. Spanien
19. Griechenland
2. China
11. Argentinien
20. Thailand
3. Brasilien
12. Russland
21. Australien
4. Indien
13. Italien
22. Venezuela
5. Mexiko
14. Frankreich
23. Saudi-Arabien
6. Japan
15. Kanada
24. Niederlande
7. Südkorea
16. Taiwan
25. Portugal
8. Deutschland
17. Großbritannien
9. Türkei
18. Kolumbien
Bemerkenswert dabei ist, dass die Top Five, wenn man mal vom Spitzenreiter USA absieht, aus Schwellenländern bestehen. In Euro-
pa ist Deutschland das Land mit den meisten Operationen, aber es rangiert »nur« auf Platz acht weltweit – doch immerhin vor Spanien, Italien und Frankreich, also Ländern, in denen man Frauen deutlich mehr Schönheitsbewusstsein zutrauen würde als in Deutschland. Laut Schätzungen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ist die Zahl der Schönheitsoperationen in Deutschland auf mehr als 400.000 jährlich gestiegen, weltweit sind es 8,5 Millionen Eingriffe.
»Das überrascht mich nicht«, sagte Rosa, als ich ihr die Tabelle zeigte. »In Brasilien ist die Hemmschwelle viel geringer, und das gilt für alle Schichten. Da wird nicht zweimal überlegt, ob man sich was machen lassen soll. Es gibt keine komplizierte Moral wie bei uns in diesen Fragen. Das Motto lautet dort eher: ›Das stört mich an mir, die Möglichkeit, es zu beheben, besteht, also wo ist das Problem?‹«, sagte sie.
Ich wollte von Rosa in puncto Schönheit Details aus aller Welt wissen. Sie hatte ihre Kindheit und Jugend teils in Schweden, Frankreich und Argentinien verbracht, dann in Miami und Mailand gelebt und reiste außerdem mehr als jede andere Person, die ich kannte. Nach Argentinien fuhr sie mindestens einmal im Jahr, um dort Verwandte sowie den Arzt ihres Vertrauens aufzusuchen, wie sie zugab. Mit deutscher Präzision hatte sie einen detaillierten Plan mit Daten und Namen zusammengestellt. Eine militärische Operation war ein Dreck dagegen.
Nachdem Rosa mir alle Punkte erklärt hatte, die ich in den nächs-ten Monaten abhaken würde, sah sie in meine wohl verwirrte bis besorgte Visage.
»Okay, du kannst all das haben, was du willst. Dafür musst du dir aber eine neue Moral zulegen und nach dem amerikanischen Prinzip vorgehen«, sagte sie ernst.
»Ach ja? Nach dem nordamerikanischen oder südamerikanischen?«
»Nach dem südamerikanischen – Argentinien, Brasilien, Venezuela – mit einem Schuss Florida und Kalifornien. Aber für alles wählen wir den europäischen Stil. Das wird perfekt!«, freute sich Rosa und klatschte in die Hände.
»Guck mal, ich meine das so: Meine Freundinnen in Argentinien gehen regelmäßig zum Schönheitsdoc. Alle. Auch die, die erst 25 sind. Das ist da ganz normal und wird als Optimierung und Wartung angesehen.«
»Und was lassen sie sich da machen?«, wollte ich wissen.
»Ach, so ungefähr dasselbe, das du machen wirst. Behandlung gegen Cellulite. Behandlung gegen schwabbelige Oberarme, gegen Bauchfett, aber Vorsicht: Es sind alles non-invasive Eingriffe, von denen wir hier reden. Fettabsaugung ist die riskanteste OP, die es gibt, und geht am häufigsten schief. Abgesehen davon hast du’s nicht nötig. Ich tippe bei dir höchstens auf acht Zentimeter Bauchfett.«
»Acht
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