Yoga Bitch
sagen zu hören, vielleicht auch, damit ich mich wieder daran erinnere, warum ich eigentlich hierhergekommen bin.
Walter predigt uns mit sanfter Stimme die unglaubliche Wirkung des Fastens auf Körper und Geist. (Dass heutzutage aber auch nichts mehr nur gut für den Körper sein kann, murmele ich und denke dabei an ein gegrilltes Käsesandwich.) Dann zeigt uns Walter die »Tee-Bar«, an der wir uns jederzeit bedienen dürfen, und auch die Schüsslersalze, zu denen wir bei Kopfschmerzen oder sonstigen Wehwehchen greifen sollen. Überhaupt sollen wir bei Wehwehchen ihn oder Gaby ansprechen. Puh, das ist ein gutes Zeichen , denke ich. Die lassen uns hier nicht sterben . Dann teilt Walter das Programm für die Woche aus, auf dem Folgendes zu lesen ist:
7:00 – 08:00 Kneippguss
15:00 Fastenwandern
08:00 Tee, Gruppengespräch
17:00 Yoga
09:00 Yoga
18:00 Saft
12:00 Gemüsebrühe
19:00 Meditation, Gruppengespräche
14:00 Mittagsruhe, Leberwickel
Rock ’n’ Roll! Es sieht zumindest nicht danach aus, als ob man allzu viel Zeit hätte darüber nachzudenken, was man gerne essen würde. Ich gehe in mein Zimmer, wiege mich und schreibe das Gewicht ins Yoga Bitch -Buch: Schon ein Kilo weniger. Dann mache ich die Glotze an, denn Verzicht braucht in diesem meinen Fall stumpfe Berieselung als Gegenprogramm. Es wird einem zwar beim Fasten davon abgeraten fernzusehen, denn der Verzicht soll sich auch auf Genussmittel und Annehmlichkeiten aller Art ausweiten. Das habe ich mir aber nicht aufdrücken lassen, denn stumpfe Berieselung wirkt auf mich seit jeher beruhigend. Ich bleibe an einer der inzwischen zahllosen Kochsendungen hängen und der tägliche Euro, den ich für meinen Leihfernseher bezahlen muss – wahrscheinlich lassen sich manche Menschen tatsächlich von dem Aufpreis davon abbringen, das Zimmer mit TV zu buchen –, lohnt sich jetzt schon, denn es kocht Alfons Schuhbeck. Oh. Mein. Gott. Was er kocht, kann man fast durch die Röhre riechen, doch wie er brrrraten und schmoren und mit a bisl Butter sagt, haut mich um: Es klingt wie ein Versprechen des Himmels. Ich sollte in dieser Woche noch viele, viele Kochsendungen sehen, doch keine würde mich mehr so berühren wie die von Alfons an meinem ersten Fastentag. Wenn ich erst wieder essen könnte, würde ich gebratene Perlhuhnbrust mit Dreierlei von der Tomate und Pariser Kartoffeln zubereiten und auch Zanderfilet mit Schnittlauchsoße, Linsengemüse und Kartoffel-Senf-Püree oder auch Ravioli gefüllt mit Blauschimmelkäse in leichter Gorgonzolasoße mit Walnüssen und erst recht Roulade von der Wachtel auf Spinat und marinierte Steckrüben. Niemand machte das Essen schmackhafter, niemand sprach darüber schöner als Alfons S. Beim Kochen zuzuschauen, während man fastet, kann erstaunlich meditativ sein. Ein bisschen masochistisch zwar, doch ich scheine damit nicht allein zu sein, wie sich herausstellen sollte.
Ich zittere und friere und gehe noch zweimal zum Speisesaal, um mir einen Tee zu machen. Ich fühle mich sehr schwach und schlafe hungrig ein. Ich gehe hungrig zu Bett und denke an Liz Hurley, die einmal sagte: »Wieso ich so aussehe? Weil ich jeden Abend hungrig zu Bett gehe!«
Tag 2
Am nächsten Morgen erzähle ich einer Gruppe von Fremden, wie häufig ich in der Nacht aufs Klo musste. Das tue ich, weil jeder berichten soll, wie er sich fühlt und wie er geschlafen hat und was ihm fehlt. Danach soll man sich eine Note geben, auf einer Skala von 1 bis 10. Ich gebe mir eine 4, denn ich habe wirklich wahnsinnigen Hunger und auch Kopfschmerzen. Um es noch einmal klarzustellen: Wir sind hier beim Fasten, nicht bei irgendeiner F.X.-Mayr-Kur, bei der es etwas zu kauen gibt. Es gibt hier absolut keine feste Nahrung.
Ich möchte einen Kaffe, ein Ei und Brot mit Käse und ein halbes Schwein. Stattdessen nippe ich am Pfefferminztee. Wir sitzen im Speisesaal, in dem die Tischordnung jeden Morgen gewechselt wird, wahrscheinlich, damit es keine Grüppchenbildung gibt. Diese Gefahr besteht bei mir nicht, ich fühle mich schlapp und habe keine Lust, mit Leuten abzuhängen, mit denen ich nichts teile bis auf den Hunger.
Doch der Hunger schweißt zusammen: Ich höre aufmerksam zu, wie Ulrike von ihren Nierenschmerzen erzählt und Thomas von seinen schlimmen Träumen. Die werden von Walter als gut gewertet, denn » isch seelischer Ballaschd, der abg’worfe wird.«
Walter merkt, wie schlecht wir drauf sind, und erzählt ein bisschen, was das Fasten alles Tolles bewirken kann:
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