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Yoga Bitch

Titel: Yoga Bitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danijela Pilic
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und betont, wie wichtig er für den Fastenerfolg sei. Man merkt, dass Walter und Gaby Riesenfans von Einläufen sind. Gaby empfiehlt bei Migräne einen Einlauf mit Kaffee, ansonsten sollte die Flüssigkeit je zur Hälfte aus Wasser und lauwarmem Fencheltee bestehen, weil der entkrampfend wirkt. Wir gucken alle ein bisschen peinlich berührt, schließlich geht es darum, einen Schlauch in unseren After einzuführen, unseren Darm zu füllen, die Flüssigkeit so lange wie möglich drinzubehalten und dann wieder herauszulassen. Doch Gaby erklärt alles so sachlich, dass wir uns gleich ans Werk machen.
    Oder auch nicht. Konfrontiert mit dem Schlauch sehe ich mir lieber eine Kochsendung an und mache mir einen Leberwickel, das geht schön easy. Später beim Fastenwandern bekomme ich zwei Arten von Gesprächen mit: über Einläufe und über Kochrezepte. Ich schließe mich der Rezeptgruppe an, auch weil ich mich wegen des Einlaufs schuldig fühle, so, als hätte ich meine Hausaufgaben nicht gemacht. Stattdessen erfahre ich, wie Ulrike ihren Saumagen macht und Interessantes über Kohlrouladen und Käsespätzle. Ehrlich, ich habe noch nie so oft über Essen gesprochen wie in dieser Fastenwoche, noch nicht einmal mit Sophie.
    Dafür bin ich um 21:30 Uhr im Bett. Das war zum letzten Mal 1987 passiert.
    Tag 4
    Zum ersten Mal verspüre ich keinen Hunger, dafür ist meine Haut schlecht. Walter ist darüber begeischtert und erzählt über Begleiterscheinungen der Entgiftung. Manche Menschen bekämen eine schwarze Zunge, andere gelbe Augen und Langweiler wie ich eben schlechte Haut. Das alles ist ekelhaft und faszinierend zugleich. Wir verfolgen es wie eine Live-Schaltung des Körpers, der uns mitteilt, dass er jetzt entgiftet und nicht daran denkt, es ohne Gezicke hinzunehmen.
    Dann gibt es ein Geständnis der besonderen Art von Hans, einem stämmigen Mittfünfziger, der ganz zerknirscht aussieht. Hans hat gestern eines der vielen hübschen Cafés besucht, um einen Pfefferminztee zu trinken und dann … etwas gegessen! Ein Raunen geht durch den Speisesaal.
    »Was hast du denn gegessen?«, fragt Ulrike mit einem verrückten Leuchten in den Augen.
    »Ein Paar Wiener Würstl. Mit Weckerl. Und Senf.«
    Man hört allen förmlich das Wasser im Mund zusammenlaufen, doch dann greift Walter ins Geschehen ein. Er lobt Hans für seine Ehrlichkeit, sagt, er solle sich nicht schlecht fühlen deswegen und jetzt bloß nicht aufgeben. Wir nicken alle zustimmend.
    Inzwischen erscheint mir mein Yoga-Bitch-Vorhaben so weit weg wie mein Leben in Berlin. Ich lebe nur für den Augenblick, nur für meinen Körper. Ich entschuldige mich stündlich für alles, was ich ihm je angetan habe, und verspreche, ihn in Zukunft nicht mehr für selbstverständlich zu halten, ach, wenn ich nur erst wieder essen darf!
    Das Fastenwandern entwickelt sich zu einer Offenbarung, denn die Stimmung dabei ist echt gut. Das muss selbst ich zugeben, obwohl ich Wandern hasse und bei zu viel Grün Beklemmungen bekomme, die sich nur durch eine ordentliche Dosis Asphalt vertreiben lassen. Die Luft ist frisch und klar und kalt, und wir setzen einen Fuß vor den anderen. Nichts weiter, doch es reicht.
    In meinem Zimmer drehe ich nach einem erfolgreichen Einlauf – man wird mit der Zeit eben gnadenlos – den Fernseher an. Mir fällt auf, dass sich alles ums Essen dreht. In jeder zweiten Szene, egal ob in amerikanischen Soaps, französischen Filmen oder deutschen Vorabendserien – es wird gegessen, gekocht, Essen bestellt oder über Essen gesprochen. In den Werbepausen wird dann für Essen geworben, doch niemals für einen Apfel, immer nur für Süßigkeiten, Chips oder Fertigsoßen. Klar, wenn etwas so perfekt ist wie ein Apfel, lässt sich das kaum bewerben. Das wäre, wie für einen Baum oder Sauerstoff Werbung zu machen. Es ist erschreckend, was für eine zentrale Rolle Essen im Fernsehen spielt. Kein Wunder, dass man dabei zur Chipstüte greifen will.
    Am Abend probiere ich zum ersten und letzten Mal die Klangschalen-Meditation. Ich schleiche mit einem schlechten Gefühl in den Raum, in dem alle schon mit geschlossenen Augen auf dem Boden liegen. Hilfe: Sie sehen aus wie eine hungrige, meditierende Sekte. Ich lege mich ebenfalls hin, direkt neben die Lammwollsocken von Ulrike, und bekomme zwei Minuten später einen solchen Hustenanfall, dass ich den Raum wieder verlassen muss. Dann rauche ich eine Zigarette, die nicht schmeckt, mich aber ein bisschen high macht. Nikotin ist meine

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