Yoga ist auch keine Lösung (German Edition)
erhalten hätte.
»Ich geh ins Bett«, meinte Lena und stand auf.
»Willst du dir den Film nicht ansehen? Dieses Mal spielt er keinen Romeo, sondern einen Kommissar, und wie ich finde, spielt er diese Rolle gar nicht schlecht.«
»Ich finde ihn arrogant und mag schon deswegen seine Filme nicht.« Lena nippte ein letztes Mal an ihrem Wasserglas, stellte es ab und ging zu Maureen hinüber, um sie zu umarmen. »Ich ertrage auch Nicole Kidman nicht auf dem Bildschirm. Sie versaut mir irgendwie jeden Film. Dabei kann ich nicht mal sagen, was mich an ihr stört.« Lena zuckte mit den Schultern. »Viel Spaß noch beim Fernsehen. Ich sollte sowieso meine Eltern anrufen, damit sie sich keine Sorgen machen, und anschließend werde ich ins Bett kriechen und eine Runde schlafen. Gute Nacht.«
Maureen sah sie leicht amüsiert an und lächelte unergründlich. »Gute Nacht. Und morgen um neun geht´s los.«
»Ich werde pünktlich sein! Schlaf gut.«
Als Lena am Pool vorüberging, setzte sie sich noch auf eine Liege und genoss den Blick aufs Meer. Ein Kreuzfahrtschiff zog vorüber, und die bunten Lichter flackerten aufgrund der Entfernung ein wenig. Lena fragte sich, wohin es wohl fahren mochte.
Die Mondsichel stand am Himmel und Lena vermutete, dass der morgige Tag wieder viel Sonne bringen würde. Sie war gerade mal gute zwei Flugstunden von zu Hause weg, und trotzdem befand sie sich in einer völlig anderen Welt. Der Gedanke ließ sie aufstehen und ins Poolhaus gehen, um ihre Eltern anzurufen und ihnen zu erklären, was sie auf dieser Insel machte.
Ihre Mutter nahm das Gespräch entgegen. »Ich habe deine Mail gelesen. Was treibst du auf Mallorca?« Lena hatte mit dieser Frage gerechnet. Sie erzählte von Rons Betrug, unterschlug ihrer Mutter dabei aber, dass sie Ron mit einem Mann im Bett erwischt hatte, und erklärte weiter, dass eine Berliner Freundin sie in ihr Haus eingeladen hätte, um ihre Abschlussarbeit ohne Beziehungsstress entwerfen zu können. Lena bat ihre Mutter, Ron nichts von ihrem Aufenthaltsort zu sagen, sollte er es wagen, bei ihr anzurufen.
»Das hat er längst getan«, erwiderte ihre Mutter.
»Du hast ihm aber nichts gesagt, oder?«
»Wo denkst du hin? Ich mische mich nicht in eure Angelegenheiten ein. Das solltest du wissen. Wenn du nicht mit ihm sprechen willst, dann ist das deine Sache.« Ihre Mutter legte eine kleine Pause ein, räusperte sich kurz und fragte: »Werdet ihr wieder zusammenfinden?«
»Mama, Ron hat mich betrogen«, erklärte Lena. »Ich werde ihm nie wieder vertrauen können, und ohne Vertrauen hat es keinen Sinn, eine Beziehung fortzusetzen.«
»An einem Seitensprung sind meist beide ein wenig Schuld. Hast du darüber schon mal nachgedacht?«, wandte ihre Mutter ein.
»Mama! Ich habe Ron mit meinem Chef Jörg im Bett erwischt. Mit einem Mann! Wie in aller Welt soll ich daran die Schuld tragen?« Nach diesem Einwand hatte Lena sich nicht mehr zurückhalten können, wenn sie ihrer Mutter auch dieses delikate Detail gerne erspart hätte.
»Oh«, drang es durch den Hörer. »Ähm, ja, dann ... ich wusste ja nicht ...«
Lena schwieg.
»Wie geht es dir?«, unterbrach ihre Mutter das Schweigen.
»Ich weiß nicht. Irgendwie habe ich das alles noch gar nicht so recht begriffen. Ich bin enttäuscht und wütend und es fühlt sich alles an, als würde ich einen Film ansehen, der nichts mit meinem Leben zu tun hat.« Lena setzte sich auf ihr Bett. »Die Gedanken an Ron muss ich zur Seite schieben. Meine Prüfung ist wichtiger. Die kann und will ich wegen Rons Betrug nicht auch noch in den Sand setzen, denn dann bleibt mir gar nichts.«
»Wenn du es dort nicht aushältst, dann komm nach Hause, ja?«, sagte sie, und Lena hörte die Sorge in ihrer Stimme. Wie gerne hätte sie sich nun in die Arme ihrer Mutter geworfen und sich von ihr trösten lassen.
»Ja, Mama.« Auch wenn sie wünschte, in diesem Moment bei ihren Eltern zu sein, so wusste sie auch, dass sie nach spätestens einigen Tagen die Enge und die Fürsorge nicht länger ertragen könnte. Ihre Mutter würde sie ständig aus dem Augenwinkel heraus beobachten und jede ihrer Handlungen auswerten.
Maureen ging mit Lenas gebrochenem Herzen ganz anders um. Für sie schien Ablenkung, Yoga und eine neue Umgebung ein Heilmittel zu sein, um darüber hinwegzukommen. Und wenn sie es genau bedachte, so hatte das bisher sogar ganz gut funktioniert. Denn bisher hatte sie nur Wut und Unverständnis gespürt, aber keine wirkliche Trauer.
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