Yoga ist auch keine Lösung (German Edition)
paar gefüllte Plastikflaschen darauf.« Er schnappte sich vom Tresen die Halbliterflaschen Wasser, die dort standen. Die Erste stellte er in die Mitte.
Lena spürte zwar, wie der Druck auf ihren Fingern zunahm, vermochte aber das Gleichgewicht ohne Schwierigkeiten zu halten.
Bei der zweiten Flasche hatte sie schon größere Probleme, und nach der Dritten gelang es ihr kaum noch, das Tablett waagrecht zu halten. Als Julian noch eine Vierte darauf stellte, kippte es ihr von der Hand und plumpste mit einem lauten Scheppern zu Boden. Lena versuchte noch, es abzufangen, doch sie war zu langsam.
»Und? Gar nicht so schwer, oder?«, feixte Julian. »Und jetzt gehst du mit den Plastikflaschen nach hinten und übst, bis es klappt.«
»Ich weiß nicht, ob ich das bis heute Abend schaffe.« Lena zweifelte daran, das Tablett in wenigen Stunden sicher auf ihren Fingerspitzen tragen zu können.
»Deswegen bist du auch im Snackbereich. Da darfst du es auch mit beiden Händen vor dir hertragen. Aber ich brauche Leute, die in jedem Bereich arbeiten können.« Julian klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. »Wenn du täglich trainierst, wird das schon werden. Allerdings bekommen unsere Gäste ihr Wasser nicht aus Plastikflaschen, sondern aus Glasflaschen. Wenn dir also jemals ein Tablett ausrutschen sollte und kein Gast in der Nähe ist, versuche es niemals aufzuhalten. Die Scherben könnten dich böse verletzen.«
»Ich soll es einfach fallen lassen?«, hakte Lena nach.
»Nur, wenn es gar nicht anders geht. Wenn es dir aber öfter als ein Mal passiert, werden sich unsere Wege trennen.« Julian lächelte zwar, aber Lena war sich sicher, dass er das ernst gemeint hatte. »Ich muss mich noch um einen Stammgast kümmern. Falls du was brauchst, sag Bescheid.«
Lena nickte, hob die Plastikflaschen vom Fußboden auf und legte sie auf das Tablett, bevor sie in den hinteren Bereich des Lokals ging, wo sie niemand sehen und hören konnte. Dort übte sie, bis es einigermaßen klappte, allerdings schmerzten die Finger ihrer linken Hand, und zuletzt zitterten sie unkontrollierbar. Immerhin schaffte sie es zum Schluss, alles halbwegs auszubalancieren.
Auf dem Weg in den Gästebereich des Restaurants massierte sie mit der rechten Hand ihre linke, und hielt nach Julian Ausschau. Er unterhielt sich mit einem Pärchen. Der Mann war untersetzt, grobschlächtig und alt und die Frau, generalüberholt und daher alterslos, blondiert und etwas überschminkt.
Lena wartete, bis Julian seinen Small Talk beendet und sie entdeckt hatte. »Tut mir leid. Aber mehr üben klappt beim besten Willen nicht.« Sie streckte ihre Hand aus und ihre Finger zitterten immer noch.
»Dich habe ich ganz vergessen.« Er sah auf die Uhr und zog die Stirn kraus. »Du hast zwei Stunden geübt? Kannst du überhaupt noch ein Tablett tragen?« Julian nahm sie beiseite und sah sie an. »Es tut mir wirklich leid, dass ich dich einfach vergessen habe. Eine halbe Stunde wollte ich dich trainieren lassen, damit du langsam ein Gefühl dafür bekommst. Aber zwei Stunden?«
»Wenn ich jetzt eine Pause mache, dann werde ich den einen Abend schon überstehen«, antwortete Lena, die sich aber selbst alles andere als sicher war, ob sie durchhalten würde.
»Okay, mach eine Stunde Pause, geh spazieren oder noch besser, setz dich mit der Speisekarte in die Sonne und lerne sie, damit du unsere Gerichte kennst.« Julian sah sie irgendwie merkwürdig an.
»Und binde dir bitte die Haare im Nacken zusammen. Ich weiß zwar, dass ihr Mädels mit offenem Haar bessere Trinkgelder bekommt, aber hier kannst du so keine Speisen servieren. Es wäre undenkbar, wenn auch nur ein Haar auf dem Teller eines Gastes landen würde. Wir sind hier in keinem bayrischen Biergarten, sondern in einem gehobenen Speiselokal mit exklusiven Gästen.«
Lena sah gerade zu, wie sich die überschminkte Dame ein Stückchen Fleisch zwischen die aufgespritzten Lippen schob und sich anschließend mit dem Griff der Gabel sehr vornehm am Kopf kratzte, bevor sie mit den Zinken das nächste Filetstück aufspießte. Lena verkniff sich nicht nur ein lautes Lachen, sondern auch einen Kommentar über die angebliche Vornehmheit seiner erlesenen Gäste und nickte zustimmend. Außerdem hatte sie sowieso vorgehabt, sich die Haare zurückzubinden, damit ihr die Wuschelmähne nicht ständig im Weg umging.
Lena schnappte sich die Speisekarte und schlenderte am Hafen entlang auf der Suche nach einer Parkbank, damit sie sich in die
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