Yoga ist auch keine Lösung (German Edition)
Sonne setzen konnte. Auf der ganzen Promenade befand sich nicht eine einzige. Gerade in diesem Ambiente hätte es sich angeboten Bänke aufzustellen, aber vermutlich hatten die Yachtbesitzer Angst davor, dass sich nicht nur vornehme Hintern darauf niederlassen würden, sondern sie auch Obdachlose als ihre Übernachtungsbank auswählen könnten, bis sie ein Mitarbeiter des Wachdienstes verscheuchte. Liegeplätze waren in diesem Hafen schließlich nicht kostenlos, und wer den Blick auf die Schiffe genießen wollte, sollte sich in eines der Restaurants setzen. Lena ging weiter, bis sie am Café Cappuccino vorbeikam. Das Café war immer noch gut besucht und Lena beschloss, sich einfach dort auf eine Tasse Café hinzusetzen.
Lena bestellte einen Café con Leche und lehnte sich entspannt zurück. Mit halb geschlossenen Augen ließ sie sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Als der Kellner den Milchkaffee servierte, wandte sie sich schweren Herzens der Speisekarte zu, um wenigstens einen Teil davon auswendig zu lernen. Immerhin war die Karte dreisprachig, so konnte sie die Zutaten der einzelnen Speisen lesen und verstehen, was sich hinter den verschiedenen Gerichten verbarg.
Am Nachbartisch setzten sich zwei Paare. Beide Herren mussten kurz vor dem Rentenalter stehen, doch die beiden Frauen konnten höchstens Mitte vierzig sein. Offensichtlich war die erste Ehefrau gegen ein neueres Model eingetauscht worden. Unwillkürlich belauschte sie die Gespräche und schmunzelte, als einer der Herren die Frau des anderen mit Frau Doktor Weihershäuser ansprach und sie etwas fragte. Lena konnte nicht anders, als sich die Frau genauer anzusehen. Blond gefärbtes Haar, feuerrot lackierte Nägel, an ihrer Hand einen Ehering mit einem gewaltigen Edelstein, dazu goldene Armreife und edle Kleidung. Die Antwort auf die gestellte Frage war nicht eben intelligent, und Lena kam zu dem Urteil, dass die Frau ihren Doktortitel auf dem Standesamt erworben haben musste. Schon als Kind hatte es sie genervt, wenn sie die Rezeptionistin ihres Hausarztes, die auch Arztehefrau war, mit Frau Doktor anreden sollte. Vielleicht galt es aber gemeinhin als herausragende Leistung, sich einen Arzt geangelt zu haben.
Nachdem sie die Gespräche am Nachbartisch zu langweilen begannen, befasste sie sich wieder mit der Karte, und ihre Pause verging viel zu schnell.
Gerne wäre sie noch länger in der Sonne sitzen geblieben, aber die Stunde war fast vorüber und es war an der Zeit, ihren Job anzutreten.
Auf dem Weg ins Isolde streckte sie ihre Hand aus, und erleichtert sah sie, dass ihre Finger nicht mehr zitterten.
Julian befand sich im Inneren des Lokals, wo sie ihn zu Beginn angetroffen hatte. »Da bist du ja wieder.«
Lena lächelte und gab ihm die Karte zurück.
»Sag nicht, dass du sie schon auswendig kannst?« Julian zog die Augenbrauen nach oben.
»Ich lerne zwar schnell, aber alles habe ich noch nicht im Kopf«, erwiderte Lena.
»Dann nimm eine nach der Arbeit mit nach Hause. Vorausgesetzt, wir beide denken nach heute Abend, dass der Job was für dich ist.« Julian griff nach der Karte und legte sie auf den Tresen. »Jetzt erkläre ich dir, wie die digitale Bestellaufnahme funktioniert, okay?«
Er drückte ihr ein elektronisches Tablett und einen kleinen Plastikstift in die Hand. Die Bestellungen wurden damit aufgenommen und an die Theke oder die Küche weitergeleitet. Zuerst musste sie die Tischnummer eingeben und anschließend die Nummer oder die Speise selbst. Das Gerät erkannte die Artikelnummer oder wenn man diese nicht wusste, konnte man die Speise über den Anfangsbuchstaben finden. Lena übte ein wenig damit und war sich bald sicher, gut damit zurechtzukommen.
»Dann kann´s ja losgehen«, erklärte Julian und ging mit ihr in den Bistrobereich. »Jetzt heißt es, auf die Gäste warten.«
Als sich ein Pärchen an einen der zugewiesenen Tische setzte, ging Lena gleich auf sie zu, begrüßte sie und fragte nach ihren Wünschen. Die Getränkebestellung gab sie direkt in das Gerät ein und bei den Speisen wussten sie noch nicht, was sie wählen wollten. Lena ging zur Theke, und der Barmann, ein älterer Engländer mit Halbglatze, schenkte bereits zwei Gläser Weißwein ein, stellte sie auf das Tablett und holte dann eine große Flasche Wasser mit zwei Gläsern.
Lena schwankte, ob sie die Getränke normal vor sich hertragen sollte, oder ob sie einen Versuch wagen sollte, das Tablett auf den Fingerspitzen zu tragen und ließ es sicherheitshalber
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