Yoga ist auch keine Lösung (German Edition)
zukommen lassen, wenn sie das möchte. Sie müsste auch nicht im Büro erscheinen, wenn sie ihn nicht mehr sehen wollte.
Nachdem sie alle Nachrichten gelesen hatte, stand sie auf und ging in der Bibliothek auf und ab. Was wollte sie für die Zukunft? Wenn sie es sich irgendwie leisten konnte, auf keinen Fall mehr mit Jörg zusammenarbeiten. Doch was war mit Ron? Konnte sie ihm vergeben? Sie hörte tief in sich hinein und musste sich eingestehen, dass sie ihm längst verziehen hatte, wenn sie auch immer noch sehr enttäuscht war. Wenn es für sie schon so schwer war zu akzeptieren, dass Ron schwul war, wie schwer musste es erst für ihn selbst gewesen sein, sich das einzugestehen?
Lena beschloss, die Nachrichten vorerst auf sich wirken zu lassen und Ron vielleicht in einigen Tagen zu antworten. Momentan glaubte sie sich nicht in der Lage, die passenden Worte zu finden, und ihre Mail würde wie eine Anklageschrift klingen. Es wunderte sie selbst, wie schnell sie die neue Situation akzeptieren konnte und vielleicht war ihre Beziehung doch nicht mehr so stabil gewesen, wenn sie nicht mehr unter der Trennung von Ron litt. Dieses herrliche Kribbeln im Bauch, wenn sie ihn angesehen hatte, war schon vor langer Zeit verschwunden, doch sie hatte es darauf geschoben, dass die erste Verliebtheit im Laufe der Jahre einem anderen Gefühl Platz gemacht hatte. Einer tiefen Verbundenheit, die auf Vertrauen, Liebe und Freundschaft gründet. Doch wenn sie nicht bemerkt hatte, was Ron in seinem Inneren ausfocht, konnte die Verbundenheit nicht allzu groß gewesen sein. Eventuell hatte sie all die Gefühle, die sie für ihn hegte, falsch interpretiert, und aus der Verliebtheit war im Alltag so etwas wie Gewohnheit geworden. Eine angenehme Gewohnheit, wie ein bequemes Sweatshirt. Der Gedanke erschreckte sie. Hatte sie über all der Arbeit, die sie beide gehabt hatten, einfach ignoriert, dass nicht nur die Leidenschaft auf der Strecke geblieben war?
Wie sollte sie es sich sonst erklären, dass sie sich zwar zu Hause gesehen hatten, doch ihnen beiden ihre Arbeit immer wichtiger gewesen war, als miteinander zu schlafen? Wenn sie es genau bedachte, hatte Ron noch nie wirklich großes Interesse an Sex gehabt. Die Initiative war meist von ihr aus gegangen. Warum hatte sie das nicht nachdenklich gestimmt? Selbst in der Anfangszeit war Ron nie stürmisch oder hemmungslos über sie hergefallen, wie sie es aus den Erzählungen ihrer Freundinnen kannte. Und sie? Sie hatte stets behauptet, es gäbe mehr als das Sexleben in einer Beziehung. Doch trotzdem hatte sie gespürt, dass ihr etwas gefehlt hatte. Wie hatte sie nur die Hinweise ignorieren können? Vielleicht hatte sie die Zeichen nicht sehen wollen, wo es doch immer hieß, Männer würden hauptsächlich an Sex denken.
Lena ließ sich in einen der Ohrensessel fallen und starrte die Bücherwand an. Ron war schwul und in Jörg verliebt. Das war die Tatsache. Vermutlich hatte Ron erst in einer Großstadt gewagt, sich das einzugestehen. Vielleicht hatte er es sogar verdrängt und war darum so begeistert von ihrem Vorschlag gewesen, zu ihm nach Berlin zu ziehen.
Unwillig schüttelte sie den Kopf. Es war mühselig, darüber nachzudenken. Ron hatte seine Entscheidung getroffen. Wenn sich Lena auch gewünscht hätte, es anders erfahren zu haben.
Lena schwang sich aus dem Sessel. Nun brauchte sie definitiv eine Tasse Kaffee. Leise tapste sie durch das Wohnzimmer in die Küche. Maureens Lachen drang zu ihr hinüber. Sie saß direkt unter dem Küchenfenster auf der Poolterrasse und Lena vernahm die Stimme von Maureens Sohn. Und irgendwie kam ihr die Stimme bekannt vor.
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»Nun wundert es mich nicht, dass er so übellaunig im Hotel aufgetaucht ist. Ich saß noch an der Hotelbar auf einen Absacker, als er kam.« Niklas lachte.
Maureen zog amüsiert die Augenbrauen nach oben. »Ich hatte dir doch gesagt, dass er sich an Lena die Zähne ausbeißen wird. Nachdem, was sie in ihrer letzten Beziehung mitgemacht hat, ist sie an einem Mann genauso interessiert, wie an einer Blinddarmentzündung.« Sie griff nach ihrem Eistee und trank einen Schluck. »Was hat er dir denn erzählt?«
»Nichts«, erwiderte Niklas. »Aber an der Bar hat er sich einen doppelten Maltwhisky bestellt und finster vor sich hin gebrütet.« Niklas strich sich über das Kinn und grinste. »Und er hat kein Wort über die Abfuhr verloren. Heute Morgen war seine Laune auch nicht besser. Ablehnung ist der verwöhnte Kerl einfach
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