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Yolo

Yolo

Titel: Yolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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herum, wirst zum Scheidungskind, wirst groß, wirst Lehrerin. Zeit zum Heiraten irgendwann. Kinder, Familie … Hätte Italien nicht diese schnurgerade Lebenslinie verpatzt!
    Mit Windungen lässt sich zurechtkommen. Doch mit einem spiralförmigen Verlauf? Wenn es enger und enger wird und dir die Luft ausgeht?
    Nur das » T « trennt Lebensraum von Lebenstraum.
    T wie Tod.
    Diese Kur ist nutzlos. Oder einzig dazu da, mich in eine Nachdenklichkeit zu treiben, die mir fremd ist. Nie zuvor habe ich ein solches Zuviel an Zeit erlebt. Auch langes Alleinsein nicht. Das lässt mich sogar an meinen Freunden zweifeln. Weil es keine wahren Freunde sind?
    Wirkliche Freundschaft erlebte ich in meiner Kindheit. Ursi und ich trugen spezielle Abzeichen und schworen uns
absolute Treue
. Als wir im Deutschunterricht lernten, dass ein
Freund
viel mehr als ein
Kollege
ist, sahen wir uns in unserem einzigartigen Bund bestätigt. Aber irgendeinmal wurden erste Flirts und Verliebtheiten wichtiger, wurden bloße Kollegen zu sogenannten Freunden. Eine bequeme Ebene, die weder Zeit noch Engagement fordert und keine totale Ehrlichkeit. So hakte auch niemand nach, als ich vor dieser Kur den wahren Grund meiner Abwesenheit verschwieg. Vielleicht verstehen Christian und ich uns gerade deshalb so gut. Jeder lässt jeden in Ruhe, bist du da, ist es okay, bist du nicht da, ist es auch okay. Und alle empfangen dich mit offenen Armen, wenn du wieder beim Italiener erscheinst. Zusammen ausgehen, ins Kino, der Samstagmorgen-Aperitif, Pilates – wir haben es schön miteinander. Sogar die ältliche Ryser von der Nachbarswohnung möchte ich nicht missen. Ich mag Gesellschaft. Der Austausch mit anderen ist angenehm und lenkt ab.
    »Wovon lenken wir uns eigentlich alle konstant ab?«
    Ich habe die Frage gestern Christian gestellt.
    Ich bin überzeugt, ich könnte die Frage auch jedem anderen stellen, die Antwort bleibt sich immer gleich:
    Theater, Kino, Fernsehen, Shoppen, Geselligkeit – das lenkt uns ab von Problemen im Beruf, in der Familie, von Problemen auf der Welt und auch von jenen Problemen, die wir uns machten, würden wir uns mit dem eigentlichen Sinn des Ganzen beschäftigen. »Ist es nicht so?«, habe ich Christian nach meiner Aufzählung gefragt.
    »Und was soll daran falsch sein? Oder will sich meine liebe Zita lieber ständig im Kreis drehen?«
    Nie zuvor hatte mich der Klang seines
Zita
gestört, im Gegenteil, ich hatte Christians Abkürzung als Kosenamen verstanden. Bis gestern.
    »Du«, sagte ich zu ihm, »eigentlich tönt
Zita
grob. Könntest du nicht
Feli
zu mir sagen?«
    »Oder gleich Fräulein Dornbach …«
    »Witzig.«
    Sobald ich Christian langweile, neigt er zum Richtungswechsel. Der ist bisweilen recht abrupt. Doch auf der Terrasse des Kurhauses konnte er weder den Fernseher einschalten noch Bier im Kühlschrank holen. Also sagte er: »Ist das nicht schön!« und zeigte mit dem Kopf zum Springbrunnen, dessen Wasserspiegel mit Rosenblättern bedeckt ist. Sehr atypisch für ihn, so etwas überhaupt wahrzunehmen. Ich lächelte, er legte seine Hand auf meinen Arm, wir beugten uns über das Tischchen und gaben uns einen Kuss. Mochte diese Geste für alle ringsum Sitzenden auf ein glückliches Paar deuten – wir sind es nicht mehr. Ohne auch nur etwas in dieser Richtung vorher durchdacht zu haben, fragte ich Christian: »Glaubst du eigentlich an eine gemeinsame Zukunft?«
    »Weshalb sollte ich nicht?«
    »Weil wir einander viel weniger nahe sind, als wir beide meinen.«
    Christian schwieg. Und ich sagte: »Ich brauche einfach etwas Zeit.«
    Er wich einmal mehr in Zynismus aus: »Hast du dich etwa in einen Arzt verguckt? Oder braucht ein anderer Burn-outer deinen Trost?« Um gleich ernsthafter fortzufahren: »Hast du nicht vor wenigen Minuten noch über ein Zuviel an Zeit geklagt?«
    »Das ist es eben. Irgendwie habe ich Angst vorm Nachdenken, und gleichzeitig spüre ich, dass ich diese Zeit und das Alleinsein brauche.«
    »Meine liebe Zita, was soll das! Aber bitte. Ganz wie du willst. Ich muss nächste Woche eh nach Kopenhagen, dann bist du mich los.«
    »Es geht doch nicht darum.«
    »Worum geht es hier überhaupt!? Zita, du strapazierst einen wirklich.«
    »Tut mir leid.«
    »Wenn du erst wieder in deinem normalen Alltag bist …«
    Christian dozierte weiter, während ich nichts mehr sagte.
    »Wissen Sie, was Hyperventilieren ist?« Der Gesichtsausdruck des Psychiaters, ein Gemisch aus Arroganz und Ungeduld, lässt mich

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